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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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führten...
    Himmel, dachte Carol, das sind die Gedanken einer zufriedenen Oma... Ich bin doch erst sechsundzwanzig!
    »Was ist?« fragte Fisher. »Hörst du mir überhaupt zu? Du siehst aus, als versuchtest du dir schon auszumalen, was man aus dieser Ruine alles machen könnte.«
    »Gott behüte!« rief Carol entsetzt. »Mal bloß nicht den Teufel an die Wand! - Was hat er sich bloß dabei gedacht, mir diesen Schandfleck zu vermachen?«
    Sie waren stehengeblieben und betrachteten das heruntergekommene Anwesen aus einiger Entfernung.
    Doch der Abstand konnte den niederschmetternden Gesamteindruck kaum mildern: Etwas Ähnliches hatte Carol zuletzt in den düsteren Illustrationen von Gespensterbüchern gesehen.

    Das zweistöckige Haupthaus mit den willkürlich aufgesetzten Gauben, kleinen Balkonen, Erkern und stumpfroten Schindeln war fast völlig aus Holz errichtet. Allerdings aus einem Holz, das sich in absolut beklagenswertem Zustand befand.
    Der letzte Anstrich musste Jahrzehnte zurückliegen. Überall blätterten alte Farbe und Lackierungen ab, hingen im Wind klappernde Fensterläden in rostigen Scharnieren und glotzten blinde Fensteröffnungen mit geborstenen Scheiben zu Ihnen herüber.
    Halt! dachte Carol schaudernd. Reiß dich zusammen!
    Einen Moment lang hatte sie tatsächlich das Gefühl gehabt, das Haus würde sie beobachten.
    Welch ein Wahnsinn!
    Sie wechselte kurz einen Blick mit Ihrem Marin, aber Fisher schien nichts dergleichen zu spüren. Wie sollte er auch?
    Sie gab sich innerlich einen Ruck und zog Fisher weiter auf das Gebäude zu.
    »Es ist nichts... nichts«, murmelte sie. »Lass uns einen Blick hineinwerfen und dann wieder verschwinden. Vielleicht findet sich ein gewitzter Makler, der diesen Schrott noch für gutes Geld an irgendeinen tapferen Zeitgenossen verhökern kann.«
    »Oh«, meinte Fisher lachend, »der müsste nicht nur tapfer, sondern auch ziemlich blöd sein, meinst du nicht auch?«
    Er hatte recht, aber Carol dachte nicht daran, das zuzugeben.
    In Gedankenversuchte sie, sich das Bild ihres verstorbenen Onkels vor Augen zu führen.
    Nun erst wurde ihr bewusst, dass sie ihn überhaupt nicht gekannt hatte. Nicht Wirklich. Was war das für ein Bild, das sie sich von einem Mann gemacht hatte, den sie, alles in allem, höchstens ein dutzendmal zu Gesicht bekommen hatte?
    Doch irgendwie mussten ihm diese wenigen Male genügt haben, sie hassen zu lernen - warum sonst hätte er ihr diese Erbschaft antun sollen...?
    Big John Murdock war im Zenit seines Lebens ein grobschlächtiger Zweizentnermann gewesen. Energisch, rücksichtslos, von wenigen Freunden umgeben, hatte er sein ganzes Leben an diesem gottverlassenen Ort, fünfundzwanzig Meilen nördlich von Santa Fe und fünf Meilen westlich von Sioux City, am Rande der Wüste verbracht.
    Er war nie der liebe Onkel gewesen.
    Nein, dachte Carol. Alle hatten ihn gefürchtet, und auch sie hatte bei ihren seltenen Besuchen gehörigen Respekt vor ihm verspürt.
    Umso überraschender war die Erbschaft.
    Ihre Eltern waren vor drei Jahren beide bei einem Verkehrsunfall auf dem Highway ums. Leben gekommen, und auch sonstige Verwandte von Big John schienen rar gesät zu sein, wie sie bei der Testamentseröffnung hatte feststellen können.
    Sie betraten die Holzplanken der überdachten Veranda und näherten sich der Tür, Sie war verschlossen.
    Die Fenster in Erdgeschoßhöhe hatte jemand mit Holzbrettern vernagelt, soweit die Läden fehlten.
    Fisher zuckte die Schultern.
    »Wo bleibt dieser Typ denn? Wir haben unsere Zeit doch auch nicht gestohlen. Wenn ich an Taylor denke...«
    Carol nickte. Auch sie dachte fast ununterbrochen an ihre kleine Tochter, die sie in der Obhut einer zuverlässigen Babysitterin in San Francisco zurückgelassen hatten und mit der sie täglich telefonierten.

    Motorengebrumm schreckte sie aus ihren Gedanken.
    Ein dreckverschmierter, bulliger Landrover fuhr in den Hof und kam mit quietschenden Bremsen zum Stillstand.
    Das Motorengeheul verstummte, eine Tür wurde aufgestoßen und ein zwergenhafter Mann kletterte aus dem panzerartigen Wagen.
    Carol schluckte ihr Grinsen hinunter. Sie brauchte Fisher gar nicht erst anzuschauen, um zu wissen, dass er gegen einen Lachanfall kämpfte.
    Samuel Hooker - nur um ihn konnte es sich handeln - war zirka ein Meter fünfzig groß, ziemlich dick (vielleicht auch nur zu klein geraten für sein Gewicht) und hatte den watschelnden Gang eines plattfüßigen Enterichs.
    Auf seinem kugeligen Kopf
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