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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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wunderte, warum Storm nicht einmal andeutungsweise an Big Johns charismatischer Persönlichkeit kratzte. So wurde seine Grabesrede ein Lobgesang auf die Charakterfestigkeit und die Leistungen eines der letzten großen Pioniere des Landes.
    Carol fühlte sich äußerst unwohl unter den ganzen Trauergästen, sie konnte das Ende der Zeremonie kaum erwarten. Fisher stand dicht bei ihr, schweigend und ruhig, wie ein Fels in stürmischer Brandung. Ihm ging die ganze Prozedur wahrscheinlich noch viel mehr auf die Nerven, denn er kannte die Person, die hier zu Grabe getragen wurde, nur vom Hörensagen.
    In der Ferne rollte dumpfer Donner. Immer wieder zuckten Blitze am Himmel auf. Der Wind wurde stärker. Es war ein Wetter, bei dem man nicht einmal einen Hund nach draußen gejagt hätte.
    Aber Big John musste unter die Erde gebracht werden.
    Endlich gab der Reverend das Zeichen.
    Carol und ihr Mann waren bei den ersten, die an dem Grab vorbeiflanierten und mit einer kleinen
    Schippe etwas Erde in die Hefe warfen.
    Die dicken Regentropfen und der auf dem Sarg auftreffende Sand klangen wie gedämpfte Indianertrommeln herauf.
    Carol schauderte.
    Nachdem sie Storms knochige Hand geschüttelt hatten, zog Fisher sie rasch zum Ausgang des Friedhofs.
    Das Gewitter kam immer nähen
    Als sie aus dem Tor traten und eilig auf ihren parkenden Wagen zuliefen, stellte sich ihnen plötzlich ein unbekannter Mann mit tief ins Gesicht gezogenem Hut und dunklem Trenchcoat in den Weg.
    »Entschuldigen Sie... Miss Todd?« fragte er mit Fistelstimme. Seine Augen- flackerten unruhig. Carol hatte ihn nie zuvor gesehen. Er wirkte auf sie wie ein verschüchterter Buchhalter, über dem stets die Faust seines Herren schwebte, so dass sich sein Rückgrat mit der Zeit in natürlicher Anpassung gekrümmt hatte. Leicht gebeugt, ein Sklave seiner inneren Ängste, stand er vor ihnen und versperrte den Weg.
    Als Carol nickte, drückte er ihr einen verschlossenen Umschlag in die Hand, murmelte: »Das soll ich Ihnen aushändigen« und verschwand von einer Sekunde zur anderen in der Menschenmenge.
    Das Ganze hatte keine zehn Sekunden gedauert, und irgendwie erschien es Carol im Nachhinein wie ein nächtlicher Spuk.
    Doch sie hatte das Kuvert. Rasch setzte sie sich in den Wagen, öffnete den Umschlag und zog eine Karte heraus. Es war eine Einladung zur Testamentseröffnung ihres Onkels.

    Fast widerwillig hatten sie ihren Hotelaufenthalt um einen weiteren Tag verlängert - mit zwiespältigen Gefühlen. Obwohl Fisher nichts dergleichen sagte, hatte Carol das ungute Gefühl, dass er jede weitere Minute in Sioux City für vergeudete Zeit hielt. Ihm lag nichts an einer zweifelhaften Erbschaft, er wollte zurück nach Hause, wo ihre kleine Tochter auf sie wartete. Und auch Carol konnte es kaum erwarten, sie wieder in die Arme zu schließen. Doch sie wollte auch den letzten Wunsch ihres Onkels respektieren, zumal sie das Gefühl hatte, dass er ihr gern noch etwas mitgeteilt hätte, was ihm der Tod dann regelrecht von den Lippen gerissen hatte... Vielleicht erfuhr sie aus seinem Testament, was ihn wirklich dazu bewogen hatte, sie zu rufen.
    Das Notariatsgebäude, das sie am Mittag des folgenden Tages aufsuchten, lag im Zentrum der kleinen Stadt. Das Wetter hatte sich zum Besseren gewandelt. Hin und wieder blitzte die Sonne durch helle und dunkle Wolkenfelder und tauchte die Häuserschluchten in ein flirrendes Spiel aus Licht und Schatten.
    Im Innern des gewaltigen Zweckbaues war es kühl wie in einem Grab. Sie mussten sich durchfragen, ehe sie vor einer Tür ankamen, neben der ein Schild mit der Aufschrift Bitte eintreten, ohne anzuklopfen befestigt war.
    Fisher kam dieser Aufforderung spitzbübisch lächelnd nach.
    Carol lächelte nachsichtig, als fünf Personen gleichzeitig zusammenzuckten, weil ihr Mann das Eintreten der Tür allzu wörtlich nahm.
    »Was fällt Ihnen ein... - ah, Mrs. Todd, wenn ich richtig rate. Treten Sie bitte näher. Ist das Ihr - äh -Mann? Er muss leider draußen warten.«
    Die Gestalt, die dies sagte, hatte das normale Pensionsalter längst überschritten. Dennoch schien sie fest entschlossen, bis zum Umfallen in dem hochlehnigen, ledernen Ohrensessel hinter dem wuchtigen Schreibtisch kleben zu bleiben.
    »Mein Name ist übrigens Sherigan. Ich bin der Notar Ihres Onkels. Und das ist«, er wies zu seiner Rechten, »mein Assistent, der Ihnen die Einladung zur Testamentseröffnung überbracht hat.«
    Carol nickte kurz, dann traf sie ein stummes
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