Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
Vom Netzwerk:
nun.
    »Großer Himmel, Fisher!« rief sie. »Was geht hier vor? Wer war das?«
    Er ging in den Raum und berührte die Lanze, als müsste er sich erst überzeugen, dass sie kein bloßes Trugbild war. Die Glasscherben, die auf dem Boden lagen, knirschten hässlich unter seinen Sohlen. Er betastete den künstlerisch verzierten Schaft, zog die Hand aber sofort wieder zurück. Der Speer schien ihm nicht ganz geheuer zu sein. Schulterzuckend drehte er sich zu Carol um, die im Türrahmen wartete.
    »Frag mich mal was Leichteres«, brummte er missmutig.
    Man sah ihm an, dass ihn die Situation ebenso überforderte wie Carol. Hier gingen Dinge vor, die jeglicher Vernunft zuwiderliefen.
    »Ich kenne die Gegend und die hier lebenden Menschen zu kurz, um beurteilen zu können, ob das alles noch als eine Art Scherz abgetan werden kann. Wenn, dann hat man hier eine sehr zweifelhafte Auffassung von Humor...«
    »Erinnere dich an den Sarg meines Onkels«, sagte Carol mit steinernem Gesicht. »Und das Ding, das jemand an unsere Tür genagelt hat... Dieser verdammte Anhänger, mit dem Taylor die ganze Zeit herumgelaufen ist...« Sie brach ab, als sie an ihre Tochter dachte.
    »Wenn wir nur wüssten, worum es eigentlich geht.« Fisher kehrte zu ihr zurück, drängte sie aus der Tür und schloss die Kammer hinter ihnen ab. »Man hört ja manchmal, dass neu Zugezogene nicht gerade mit offenen Armen von ihren Nachbarn empfangen werden. Aber das hier geht wohl entschieden zu weit...«
    Carol starrte ihm sekundenlang in die dunklen Augen und wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte. Bei Fisher war nie ganz klar, ob er solche trockenen Bemerkungen ernst oder ironisch meinte.
    In diesem Moment erschütterte ein neuer Knall, wie von einer kleinen Detonation, das Haus.
    »Verdammt, die machen Ernst!« stieß Fisher hervor. Er packte Carol am Handgelenk und zog sie mit sich in den Wohnraum.
    »Woher kam das?« fragte Carol im Laufen.
    »Von oben!«
    »Aber...«, begann sie.
    »Jemand ist im Haus!« fiel Fisher ihr ins Wort.
    Vor dem großen Fenster blieb er abrupt stehen. Er machte sich an der Petroleumlampe zu schaffen und drehte den Docht so weit herunter, dass die Flamme erlosch.
    Carol stand dabei und hatte das Gefühl, als würde die Dunkelheit wie schwarzer Rauch in ihren Körper stürzen.
    Es dauerte Sekunden, bis sie sich gefangen hatte und mit weit aufgerissenen Augen durch die Scheibe nach draußen blicken konnte, wo die Nacht wie ein atmendes Ungeheuer lauerte.
    Es war kohlrabenschwarz dort draußen. Kein Stern leuchtete am Himmel. Schwere Wolken verdeckten alles. Aber die absolute Finsternis war nicht von Dauer.
    Carol erschrak, als jäh ein feuriger Komet durch die Nacht jagte und mitten auf dem Ranchhof zur Erde stürzte.
    »Ein Brandpfeil!« keuchte Fisher. Er stand dicht neben Carol, und sie spürte ihn mehr, als dass sie ihn sehen konnte. »Es sieht leider aus, als hätte Pickwick recht gehabt...«
    Carol biss sich auf die Unterlippe, Pickwick... Taylor... Ihre Gedanken überstürzten sich.
    »Was meinst du?« fragte sie mühsam.
    »Da draußen ist jemand... Wahrscheinlich sogar mehrere. Vielleicht sind schon welche im Haus... Und es sieht nicht so aus, als wollten sie uns einen Freundschaftsbesuch abstatten!«
    »Was dann?«
    Fisher gab keine Antwort, und
    Carol biss sich noch fester auf die Lippe. Sie schmeckte ihr eigenes Blut, achtete aber kaum darauf.
    »Der... Stromausfall...«, sagte sie stockend. »Glaubst du denn, sie sind dafür verantwortlich?«
    »Dafür und für das Telefon«, an-wortete Fisher.
    Carol hörte, wie er sich durch den Raum tastete und den Telefonhörer abnahm, ihn gleich darauf aber wieder enttäuscht auf die Gabel fallen ließ. »Immer hoch tot...«
    Carols Angst wurde immer größer. Was würde aus Taylor werden, wenn ihre Tochter unbeschadet aus Pickwicks Klauen entkam, ihre Eltern aber von Unbekannten getötet wurden?
    So absurd ihr der Gedanke noch vor Stunden erschienen wäre, im Moment rechnete sie mit allem!
    »Wir müssen versuchen, zum Auto zu kommen«, riss Fishers Stimme sie aus ihren düsteren Visionen.
    »Ich habe Angst«, gestand Carol, ohne sich umzuwenden. Sie starrte immer noch auf den brennenden Pfeil, der den Hof und die Konturen der gegenüberliegenden Scheune verschwommen sichtbar werden ließ.
    »Meinst du, ich nicht?« Fishers Lachen klang unecht, fast bitter:
    Er tauchte neben ihr auf und strich ihr flüchtig über die Wange. Ihr Gesicht erschien ihm im schwachen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher