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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler
Autoren: Robert Hueltner
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bekümmern müssen, ob Monate nach seiner Abreise in bürgerlichen oder aristokratischen Wiegen etwas krähte, was seine Nase hatte oder mit seinen Augen lächelte. Emanuel Schikaneder warf einen verstohlenen Blick auf seine Frau. Hatte Eleonore etwas davon mitbekommen? Er hatte seine Transaktionen geschickt vertuscht. Eine rätselhafte Erkrankung, die angeblich hohe Arzthonorare verschlang, die Überholung der ausgeleierten Transportables, die Auffrischung der durch den Transport ramponierten Kortinen, der Nachschub für die pyrotechnische Maschinerie, all diese Mätzchen waren leicht zu fingieren gewesen. Eleonore hatte diese Entscheidungen stets ihm überlassen, sie mischte sich immer erst dann ein, wenn es brenzlig zu werden drohte. Dann aber machte sie ihm heftige Vorwürfe, drohtean, sein finanzielles Gebaren ab sofort aufs Schärfste zu kontrollieren.
    Seit er die Compagnie übernommen hatte, waren derartige finanzielle Krisen an der Tagesordnung. Doch so häufig sie auch auftauchten, meist verschwanden sie wie von Zauberhand wieder – ein berührter Mäzen half aus der Klemme, wochenlanges Schlechtwetter ließ die Massen strömen, eine Aufführung traf den Nerv der Zuschauer, die Kunde blutiger Rangeleien vor der Kasse des längst überfüllten Theaters und von spektakulären Ohnmachtsanfällen während der Vorstellungen verbreiteten sich wie Lauffeuer.
    Doch diesmal war keine Rettung in Sicht. Mit der Summe, die sich noch in der Kasse befand, konnte er bestenfalls noch zwei, höchstens drei Übernachtungen in einem passablen Gasthaus finanzieren. Es ginge sich gerade noch aus, wenn sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in Salzburg mit den Aufführungen beginnen konnten. Das aber war das Problem.
    Die Salzburger Theaterkommission hatte bisher noch nicht reagiert. Von einem Reisenden hatte Schikaneder erfahren, dass der erzbischöfliche Hofkämmerer in den vergangenen Wochen unpässlich gewesen sei. Das ließ ihn aufhorchen. Unpässlich? Also nicht schwerkrank oder gar im Sterben liegend? Das roch doch nach einer diplomatischen Finte! Wurde gegen ihn intrigiert? Hatten sich seine Konkurrenten, die Böhm’schen, Hornung’schen und Wahr’schen Compagnien, bei Erzbischof Graf Colloredo mit ihren bieder beschaulichen Aufführungen lieb Kind gemacht? Hatte ihn ein eifernder Schwarzrock als Blasphemiker und Sittenstrolch verleumdet, nur weil in einer seiner harmloseren Possen ein Mönch zu sehen war, der weltlichen Gelüsten nicht so widerstehen konnte, wie es die katholische Lehre predigte?
    Ein heftiger Stoß brachte die Kabine ins Wanken. Ein Wasserschwall klatschte an die Seitentüren. Eleonore Schikaneder schlug die Augen auf, suchte instinktiv an ihrem Mann Halt und blickte suchend um sich. Der Kutscher draußen brüllte etwas,das im Wageninneren nicht zu verstehen war, sich aber nicht nach einem frommen Gebet anhörte. Der Wagen schaukelte noch ein wenig nach, dann ging die Fahrt weiter.
    »Wir hätten doch die neue Straß nehmen sollen, Schani«, nölte Eleonore. Ein erneutes Ächzen des Fahrwerks begleitete ihre Worte. »Die wär doch viel kommoder gewesen. Diese Rumpelei!«
    Schikaneder sah sie nicht an. Sein Blick haftete zwischen Demoisell Bichler und Demoisell Mayer, die ihm gegenübersaßen.
    »Die ist wahrscheinlich der Grund, warum du wieder meinen Namen vergisst«, giftete er zurück. »Darf ich dich daran erinnern, dass ich mich nicht Schani, sondern Emanuel nenn? Und das nicht erst seit gestern?«
    Demoisell Bichler, Erste Naive der Schikaneder’schen Truppe, warf ihrer Kollegin einen verstohlenen Blick zu, den diese mit unauffälligem Zwinkern erwiderte.
    »Emanuel Schikaneder, deutscher Schauspieldirekteur«, sagte sie mit treuherzigem Lächeln, als gälte es, Gelerntes folgsam zu vertiefen.
    »Ich bin informiert!«, schnappte die Gattin des Direktors zurück. »Aus erster Hand, gewissermaßen!«
    Salome Bichler hielt kurz die Luft an. Madame war die Chefin. Dann atmete sie aus, zuckte leichthin, ein wenig die Missverstandene gebend, mit den Schultern und begann, ihre Fingernägel zu begutachten. Unbeteiligt und mit der Miene des Abgeklärten, der es seit langem aufgegeben hat, für die Gefühlsausbrüche der Frauen eine Erklärung zu suchen, sah Schikaneder den vorbeiziehenden Nebelschwaden nach. Dennoch ging sein Puls jetzt ein wenig schneller. Hatte seine Frau womöglich etwas mitbekommen? Unmöglich! Vielleicht sagte Eleonore einfach der Instinkt, dass sie auf der Hut sein müsse. Die
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