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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen
Autoren: Mia March
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– schließlich war zwischen ihnen alles vollkommen. Das dachte sie jedenfalls bis vor kurzem.
    Bis ihre Ehe sich in einen kalten Krieg verwandelt hatte, weil Isabel sich auf einmal etwas wünschte, das sie sich nicht wünschen durfte, das sie nicht wollen durfte, und zwar mit einer Heftigkeit, die ihr gleichzeitig Angst machte, sie beflügelte und ihr ein bis dahin unbekanntes Gefühl von Lebendigkeit verlieh. Und das sie zum Weinen brachte – unter der Dusche, im Supermarkt, hinter dem Steuer und spätabends im Bett –, weil es niemals sein würde.
    Beherzt warf sie den Teigklumpen weg und wollte gerade frisches Mehl für den nächsten Versuch abmessen, als sie an der Haustür ein leises Geräusch hörte. Sie beugte sich zurück und spähte durch die offene Küchentür hinaus in die Diele. Unter der Tür war ein Briefumschlag durchgeschoben worden. Komisch. Isabel wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging zur Tür. Ihre Absätze klapperten über den polierten Marmorboden.
    Der Umschlag war, genau wie der darin liegende, auf schlichtes weißes Papier getippte Brief, weder adressiert noch unterschrieben.
    Ihr Mann hat eine Affäre. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen und auch nicht, ob Sie es wissen wollen. Aber eines weiß ich: Sie sind einmal sehr nett zu mir gewesen, und das will in dieser Stadt was heißen. Ich würde wollen, dass es mir jemand sagt – und ich schätze, dass das auch auf Sie zutrifft. Hemingway Street Nr. 56 . Der schwarze Mercedes parkt immer gegen 18 : 00 Uhr hinter dem Haus. – Es tut mir leid.
    Keuchend ließ Isabel den Brief fallen. Dann hob sie ihn wieder auf und las ihn ein zweites Mal. Edward? Eine Affäre? Sie schüttelte den Kopf. Ihre Knie waren weich wie Gummi. Verunsichert ließ sie sich auf die gepolsterte Bank im Eingangsbereich sinken. Das musste ein Irrtum sein.
    Ja – ein Irrtum, eindeutig.
Es tut mir leid
hatte den Brief unter der falschen Haustür durchgeschoben. Wahrscheinlich war er für ihre Nachbarin Sasha Finton bestimmt. Das weiße, im Kolonialstil gebaute Haus nebenan sah mit der roten Tür, den schwarzen Fensterläden und dem von Beeten gesäumten Kiesweg fast genauso aus wie das der McNeals. Und Sashas Ehemann flirtete auf den Nachbarschaftsfesten und Kindergeburtstagen ganz offen herum.
    In Isabel regte sich Mitleid. Sasha war immer so nett zu ihr. Erst heute Morgen hatte sie Isabel mit angespanntem Lächeln zugewinkt, obwohl sie offensichtlich ziemlich sauer auf ihren finster dreinschauenden Ehemann gewesen war, dem sie zu seinem Wagen folgte.
    Er fuhr doch einen schwarzen Mercedes, oder? Genau wie Edward.
    Sie holte hörbar Luft, stand auf und eilte ins Wohnzimmer hinüber, wo sie den schweren Vorhang am hinteren Fenster beiseiteschob. Wenn sie sich auf Zehenspitzen stellte, konnte sie über den weißen schmiedeeisernen Gartenzaun einen Blick auf die Zufahrt der Fintons erhaschen. Im Augenblick stand nur Sashas silberner BMW dort. Aber Isabel war sich sicher, dass der Mercedes ihres Mannes schwarz war. Sie warf einen Blick auf die Uhr: kurz nach sechs. Vielleicht parkte Dan Fintons Auto nicht in der Einfahrt, weil es hinter dem Haus in der Hemingway Street stand.
    Sie nahm Brief und Umschlag mit in die Küche, legte beides auf den Tresen und beschwerte sie mit einer großen Tomate. Dabei wäre ihr viel lieber gewesen, der anonyme Brief würde sich in Luft auflösen oder davonfliegen. Doch dann wäre er auf der Türschwelle einer anderen Frau gelandet, einer anderen Frau, die wusste, dass zwischen ihr und ihrem Mann etwas ziemlich verkehrt lief – und zwar nicht erst seit Ausbruch ihres kalten Krieges, das ahnte Isabel im Grunde.
    Aber eine Affäre? Edward? Nein.
    Isabel drängte die Tränen zurück, maß drei Tassen Mehl ab und schüttete sie auf die hölzerne Arbeitsfläche. Sie drückte eine Kuhle in den Mehlhügel, schlug vier Eier auf und vermischte beides behutsam. Doch sobald sie mit dem Handballen zu kneten anfing, verklumpte der Teig, anstatt elastisch und klebrig zu werden.
    Irgendetwas machte sie falsch.
    Zugegeben, vielleicht war dieser Teil zur Rettung ihrer Ehe ein bisschen lächerlich, doch Isabel hoffte, wenn sie jenen Abend, jene letzte Nacht in Rom, als alles zwischen ihr und Edward so magisch gewesen war, noch einmal heraufbeschwor, könnte sie damit etwas in ihm zum Klingen bringen. Die Mischung aus fruchtiger Tomatenfüllung und würziger Dreikäsesoße würde einen vom Mondschein beleuchteten Tisch in Italien heraufbeschwören
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