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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers
Autoren: Stephen R. Lawhead
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sie auf unerklärliche Weise anzuschwellen. Ich fürchte zu ersticken. Ich kann nicht mehr atmen.
    Keuchend und würgend gelingt es mir doch noch, das schreckliche Zeug zu kauen, und am Ende bin ich sogar in der Lage, es hinunterzuschlucken. Dann überkommt mich eine neue Furcht: Man wird mich erneut von dem Teller essen lassen . aber nein, Genotti stellt den Teller beiseite und greift nach dem Meßkelch. Wortlos bietet er mir den Kelch an, und ich nehme ihn entgegen. Ich trinke; es scheint sich um eine Art Sirup zu handeln. Ein besonderes Aroma oder einen Geschmack vermag ich nicht zu erkennen, aber augenblicklich geht ein Kribbeln durch meine Lippen, über Zähne und Zunge und wandert die Kehle hinab. Ich weiß nicht, ob es an dem Trockenobst liegt, das ich gegessen habe, oder ob es von dem Sirup kommt, doch das Kribbeln läßt nicht nach.
    Plötzlich verspüre ich ein großes Verlangen zu lachen. Ich habe das Gefühl, als würde eine große Blase in mir aufsteigen, die stetig größer wird, je höher sie wandert, und daß ich diese Blase mit einem lauten Lachen gebären muß, denn sonst drohe ich zu platzen. Ich bemühe mich, das Gefühl zu unterdrücken.
    »Suchender«, sagt Genotti erneut, »atme den himmlischen Weihrauch ein.«
    Der Rauch beruhigt mich, und obwohl es in meinem Mund nach wie vor kribbelt, so verschwindet doch der Drang zu lachen. Evans spricht als nächster. »Suchender, antworte mir: Wie sieht ein Kind Gottes?« fragt er. Sein singender walisischer Tonfall ist eine Wohltat für die Ohren.
    »Mit den Augen des Glaubens«, antworte ich. Die Frage wird bei jeder Weihe gestellt, egal zu welchem Grad.
    »Dann öffne die Augen, Suchender, und du wirst sehen«, befiehlt Evans. Er greift nach dem gefalteten schwarzen Seidentuch, tritt um den Tisch herum und hebt das Tuch vor mein Gesicht. Rasch verbindet er mir die Augen, und so werde ich in einen anderen Teil des Raums geführt, wo ich mich mit dem Rücken auf den Boden legen muß.
    Ich bereite mich auf das vor, was auch immer als nächstes geschehen wird und höre ein leises Kratzen wie Kreide auf einer Schiefertafel. Das Geräusch dauert eine Weile an, dann spüre ich einen kalten Luftzug auf der linken Wange, was mich glauben läßt, daß eine Tür geöffnet wurde. Gleichzeitig werden Seile an dem gepolsterten Gürtel um meine Hüfte befestigt. Um mich herum haben sich die anderen versammelt und ragen über mir auf.
    Plötzlich werden meine Füße gepackt, und ich werde wie eine Schildkröte auf den Rücken gedreht. Als man meine Füße wieder losläßt, spüre ich, daß sich unter ihnen nichts als Luft befindet -meine Füße hängen im Nichts. Man läßt mir jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken, denn beinahe im selben Augenblick werde ich sanft nach vorne gezogen, so daß meine Füße, meine Knöchel und schließlich meine Beine in die Leere hinabgleiten. Meine Arme werden hochgehoben, die Seile gestrafft, und ich spüre, wie ich in das Loch hinabgleite, das man im Boden geöffnet hat.
    Langsam sinke ich ins Nichts hinunter, wobei ich an den Seilen hänge wie eine Puppe an ihren Fäden.
    Die Kammer, in die man mich hinunterläßt, ist von nahezu unglaublichen Ausmaßen. Ich kann nicht sagen, woher ich das weiß -vielleicht schließe ich die Größe aus der Kälte der Luft oder aus dem Echo meines eigenen Atems, das von unsichtbaren Wänden widerhallt. Meine Augen sind verbunden; ich sehe nichts. Tiefer und tiefer sinke ich hinab.
    Schließlich berühren meine Füße wieder festen Boden. Ich schließe die Beine und stehe. Ich weiß nicht, wie tief ich hinabgelassen worden bin. Die Stimme, die mich von oben erreicht, hallt nur als schwaches Echo zu mir herunter. »Suchender«, das ist Pemberton, »mit den Augen des Glaubens gebiete ich dir zu sehen . und mögest du die Wahrheit finden.«
    Bei diesen Worten erschlaffen die Seile und werden hinter mir in die Tiefe geworfen. Die Fäden der Puppe sind durchschnitten worden, und nun ist es an mir, zu suchen und zu finden. Aber was ... was suche ich? Was erwartet man von mir? Keine meiner früheren Erfahrungen mit der Bruderschaft hat mich auf diese Prüfung vorbereitet. Es liegt an mir - und nur an mir -, ob ich sie bestehe oder scheitere.
    Da ich ein Suchender bin, beschließe ich zu tun, wie mir geheißen. Obwohl mir der Gegenstand meiner Suche nach wie vor ein Mysterium ist, besitze ich Glauben genug, um darauf zu vertrauen, daß ich den Preis erkenne, wenn ich ihn sehe.
    Entschlossen mache ich
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