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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Autoren: Paulo Coelho
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zu finden ist. Die Studien irren nicht: Wissenschaftler haben bei Vaterschaftstests an Vögeln, Affen, Füchsen herausgefunden, dass diese Tierarten soziale Verbindungen entwickelt haben, die der menschlichen Ehe sehr ähnlich sind, was allerdings nicht bedeutet, dass die jeweiligen Partner einander treu sind. In siebzig Prozent der Fälle sind die Nachkommen Bastarde. Igor erinnert sich an die Studie eines Professors für Psychologie an der University of Washington in Seattle, David Barash. Darin heißt es in etwa: Es wird immer behauptet, dass nur die Schwäne treu sind, aber sogar das ist eine Lüge. Die einzige vollkommen monogame Spezies ist eine Amöbe, das Diplozoon paradoxum . Männchen und Weibchen begegnen einander im Jugendalter und ihre Körper vereinigen sich zu einem einzigen Organismus. Alle anderen Gattungen können ihren Partner betrügen.
    Daher kann er Ewa keine Vorwürfe machen – sie hat nur dem Trieb nachgegeben. Da sie aber nach gesellschaftlichen Konventionen erzogen worden ist, die natürliche Regungen verdammen, wird sie sich in diesem Augenblick schuldig fühlen und denken, dass er sie nicht mehr liebt, ihr nie verzeihen wird.
    Ganz im Gegenteil: Er ist zu allem bereit, sogar dazu, ihr Botschaften zu schicken, selbst wenn diese Botschaften die Nachricht von der Zerstörung einer Welt, vom Tode anderer Menschen sind, nur damit sie versteht, dass er sie nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern dass er auch die Vergangenheit begraben und ihr nie Fragen stellen wird.
     
    Er trifft auf eine junge Frau, die ihre Waren vor sich auf dem Bürgersteig ausgebreitet hat. Kunsthandwerk von zweifelhaftem Geschmack.
    Die Nachricht von ihrem Tod wird die Botschaft sein, die er Ewa schicken muss und die diese ganz bestimmt verstehen wird. Bevor er näher tritt, betrachtet er die junge Frau zärtlich. Sie weiß nicht, dass ihre Seele bald schon im Himmel sein wird und sie, wenn alles gutgeht, für immer von dieser idiotischen Arbeit befreit sein wird, die ihr niemals erlauben würde, dorthin zu gelangen, wohin sie in ihren Träumen möchte.
    »Wie viel kostet das?«, fragt er in fließendem Französisch.
    »Was hätten Sie gern?«
    »Alles.«
    Die junge Frau, die kaum älter wirkt als zwanzig, lächelt.
    »Den Vorschlag höre ich nicht zum ersten Mal. Der nächste Schritt wird sein: ›Wollen Sie mit mir spazieren gehen? Sie sind zu hübsch, um hier Kunsthandwerk zu verkaufen. Ich bin –‹«
    »Nein, so bin ich nicht. Ich arbeite nicht in der Filmbranche. Ich will aus Ihnen keine Schauspielerin machen und auch nicht Ihr Leben verändern. Auch die Waren, die Sie verkaufen, interessieren mich nicht. Ich möchte mich nur unterhalten, und das können wir an Ort und Stelle tun.«
    Die junge Frau wendet den Kopf ab.
    »Meine Eltern stellen diese Dinge her, und ich bin stolz auf ihre Arbeit. Eines Tages wird jemand vorbeikommen und deren Wert erkennen. Gehen Sie einfach weiter, es kann doch nicht so schwer sein, jemand anderen zu finden, der Ihnen zuhört.«
    Igor zieht ein Bündel Geldscheine aus der Tasche und legt sie freundlich neben sie.
    »Verzeihen Sie mir, wenn ich unhöflich war. Ich habe das nur gesagt, um den Preis herunterzuhandeln. Freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Igor Dalev. Ich bin gestern aus Moskau angekommen und wegen des Jetlags noch etwas durcheinander.«
    »Ich heiße Olivia«, sagt die junge Frau und tut so, als würde sie die Lüge glauben.
    Ohne um Erlaubnis zu bitten, setzt er sich neben sie auf die Parkbank. Sie rückt etwas zur Seite.
    »Worüber wollen Sie denn reden?«
    »Nehmen Sie erst mal das Geld!«
    Olivia zögert, blickt um sich und sieht, dass es keinen Grund gibt, sich zu fürchten. Auf der freigegebenen Fahrspur herrscht jetzt reger Verkehr, junge Leute sind auf dem Weg zum Strand. Auf der Uferpromenade nähert sich ein altes Ehepaar. Olivia steckt das Geld, ohne es zu zählen, in ihre Tasche.
    »Danke, dass Sie mein Angebot angenommen haben«, sagt der Russe. »Worüber ich reden möchte? Ehrlich gesagt, über nichts Besonderes.«
    »Sie werden vermutlich einen Grund haben, zur Festivalzeit hier zu sein. Dann ist Cannes für die Einheimischen und auch für die normalen Touristen nämlich ziemlich unerträglich.«
    Igor blickt aufs Meer und zündet sich eine Zigarette an.
    »Rauchen ist gefährlich.«
    Er überhört den Kommentar.
    »Worin besteht für Sie der Sinn des Lebens?«, fragt er.
    »Darin zu lieben.«
    Olivia lächelt. Das war eine großartige
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