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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
Autoren: Gerri Russell
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betrachtete wieder die junge Frau. »In meiner Vision war diese Frau kultivierter. Weniger …»Er verstummte im gleichen Moment, in dem er Wolfs wutentbrannten Blick bemerkte.
    Der hielt seine Hand ausgestreckt. »Gib mir diesen Stein. Ich habe genug von seiner Magie und seinem Fluch.«
    Brahan wich zurück. »Nein.«
    Wolf stutzte, da er wusste, dass Brahan nie einen Schritt ohne den Schicksalsstein unternahm. »Lass das Thema auf sich beruhen, mein Freund, sonst nehme ich dir den Stein ab und werfe ihn ins Meer.«
    »Das würdest du nicht machen.« Ein Anflug von Humor umspielte Brahans Lippen, als der die Arme vor der Brust verschränkte und Wolf anschaute. »Dafür haben dir der Schicksalsstein und meine Visionen schon viel zu wichtige Dienste geleistet.«
    Wolfs Blick wanderte zu der weißen Strähne in Höhe von Brahans Schläfe. Mit jedem Mal, wenn sein Freund den Stein benutzte, gesellten sich einige weiße Haare mehr zu dieser Strähne. »Dann führe mich nicht in Versuchung, meine Drohung wahrzumachen«, raunte er ihm schuldbewusst zu und drehte sich zu der jungen Frau um, die mit einer unleugbaren Traurigkeit in ihren Augen hinaus aufs Meer schaute. Rasch wehrte er das sich regende Mitgefühl ab. Seine Pflicht verlangte von ihm, sie zu heiraten, mehr aber auch nicht.
    Schweigen herrschte in dem kleinen Boot, als sie sich der Ategenos seitlich näherten. Von dieser Perspektive aus wirkten deren drei Masten so riesig, als würden sie bis in den Himmel reichen. Eine letzte Brise zog an den gesetzten Segeln, während grüne Wellen in einem sanften, niemals endenden Rhythmus gegen den Rumpf schlugen.
    Wolf fasste mit einer Hand die Strickleiter und hielt die andere der jungen Frau hin. »Gebt mir Euren Beutel«, forderte er sie schroffer als beabsichtigt auf.
    »Nein, den gebe ich nicht her«, widersprach sie und drückte den schmutzigen braunen Beutel an ihre Brust.
    Starrsinnig und ahnungslos. »Und wie wollt Ihr die Leiter hinaufklettern, wenn Ihr nur eine Hand frei habt?« Konnte sie sich nicht mal der einfachsten Anweisung fügen? »Gebt mir den Beutel.«
    »Ich gebe ihn nicht her«, beharrte sie noch eine Spur starrköpfiger.
    Er packte ihre Hand und ging nicht auf ihre unausgesprochene Herausforderung ein, er möge doch versuchen, ihr den Beutel abzunehmen. »Wenn Ihr das unbedingt wollt, soll es mir gleich sein.«
    Ehe sie reagieren konnte, hatte er sie bereits zum zweiten Mal an diesem Tag über seine Schulter gelegt. Zwar schnappte sie erschrocken nach Luft, aber entgegen seiner Erwartung wehrte sie sich nicht gegen diese Behandlung. Er kletterte die Strickleiter hinauf, wobei ihr Gewicht ihm kaum etwas ausmachte, was nur seinen Eindruck unterstrich, wie schmächtig doch dieser Körper unter der zerlumpten Kleidung war. Kaum hatte er die Reling überwunden, setzte er die Frau ab.
    Der Ruf »Captain an Deck!« ertönte, und die Besatzung nahm eine Habachtstellung ein, während Wolf an den Männern vorbei zu Walter ging. Das Gesicht seines Bruders war schmal, seine ganze Statur wirkte hager -; beides deutliche Zeichen dafür, dass er eine Weile im Verlies seines Vaters eingekerkert war. Welcher Vater tat so etwas seinem Sohn an? Ein Vater, der zu allen Mitteln griff, um seinen Willen durchzusetzen, hielt Wolf sich vor Augen.
    Als er ein Junge von elf Jahren war, sein Vater noch auf dem Weg zur Königswürde, da hatte der Mann bereits eine Vielzahl an Feinden, und seine Söhne waren ihm für seine eigenen Absichten nützlich gewesen.
    Gegen seinen Willen wurde eine Erinnerung wach, die ihn und Walter zeigte, wie sie sich im düsteren Flur des Cottages ihrer Mutter versteckten. Wolf hielt gebannt den Atem an, da er fürchtete, sie könnten entdeckt werden. Angespannt lauschte er auf Gesprächsfetzen, die einen Hinweis darauf gaben, warum ihr Vater ihre Mutter aufgesucht hatte. Immerhin war sie von ihm schon vor langer Zeit als seine Geliebte verstoßen worden, und doch war er heute wieder hergekommen. Aus welchem Grund nur?
    Die beiden hatten sich im Schlafzimmer eingeschlossen, und Wolf ahnte, dass etwas nicht stimmte. Dies war kein gewöhnlicher Besuch bei seiner ehemaligen Geliebten, denn diesen Blick hatte Wolf schon einmal bei seinem Vater gesehen, und zwar an dem Tag, an dem er Walter und ihn gezwungen hatte, dem Clan der Chattans einige Pferde zu stehlen. Durch die Düsternis betrachtete er die geschlossene Schlafzimmertür, und er wusste, etwas Unheilvolles, Unaufhaltsames kam auf sie alle
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