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Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier
Autoren: Susan Hastings
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ragte wie ein unheilvoller Finger in den Himmel, seine Konturen verschmolzen mit der Dunkelheit. Leise klagte ein Kauz, lautlose Schatten huschten zwischen den kahlen Zweigen der Bäume einher. Ein seltsamer Zug dunkler Gestalten ergoss sich aus dem Kreuzgang, der den inneren Hof des Klosters umgab, und strebte der kleinen Kapelle zu. Die Mönche trugen dunkle Kutten, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Dort, wo die Fackeln ihre Schatten an die Wand warfen, verzerrten sie sich zu grotesken Figuren. Die feuchte Luft mischte sich mit dem Geruch der Pechfackeln. Zwei aufgeschreckte Tauben flatterten mit klatschenden Flügelschlägen aus dem Gebälk der niedrigen Kapelle.
    Unsanft wurde Rupert von einer Hand geschüttelt. »Wach auf«, zischte eine Stimme an seinem Ohr. Unwillig schüttelte er die Hand ab, doch sie krallte sich wieder in seine Kutte. »Mach dich nicht unglücklich und steh auf!« Es war Luke.
    »Großer Gott, es ist mitten in der Nacht!« Rupert warf sich auf die andere Seite.
    »Hier werden die Hähne von den Mönchen geweckt. Schau, sie sind schon auf dem Weg in die Kapelle. Beeil dich!«
    Taumelnd folgte Rupert dem schweigenden Zug der dunkel gekleideten Gestalten. Nur das Schlurfen der Sandalen auf dem nackten Steinboden war zu vernehmen.
    Die Mönche hatten sich in der Kapelle zur Vigilie versammelt, ihr getragener Gesang hallte im Gewölbe wider. Rupert fröstelte und seine mageren Schultern zogen sich zusammen. Apathisch ließ er das erste Chorgebet über sich ergehen und schlurfte mit den anderen zurück. Er konnte sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten. Es war lausig kalt, die alten Gemäuer speicherten die Feuchtigkeit. Neben Rupert wankte Luke, der etwa zwei Jahre ältere Novize, dessen harte Holzpritsche neben der von Rupert im Dormitorium stand. Es war üblich, dass nach der Nachtruhe, die eine Stunde nach Mitternacht durch eine Glocke abrupt beendet wurde, jeder seinen Nachbarn weckte. Luke tat das noch aus einem besonderen Grund, denn es gab stets einige Mönche, die nur zu gern ihre Mitbrüder denunzierten, wenn sie sie bei einem Regelverstoß erwischten. Und der Möglichkeiten gab es viele. Dann verhängte der Abt eine saftige Buße.
    Die Regeln des Benediktinerklosters waren hart. Es galt der oberste Grundsatz, dass das Kloster ein treues Abbild einer wahrhaft christlichen Familie sei. Die Mönche schuldeten ihrem pius pater kindlichen Gehorsam. Die drei Ordensgelübde hießen oboedentia, der unbedingte Gehorsam, conversatio morum, die Bereitschaft zur Umkehr, und stabilitas, die Beständigkeit. Es gab keinen Unterschied zwischen Klerikern und Laienbrüdern, sie lebten im Kloster unter einem Dach. Hungern war an der Tagesordnung. Es gab ohnehin nur eine kärgliche Mahlzeit am Tag. Deshalb war es schlimm, wenn man wegen einer kleinen Unachtsamkeit diese eine Mahlzeit gestrichen bekam.
    Die Ordensregeln wurden den Konventsangehörigen immer wieder vorgelesen. Doch schnell hatte Rupert begriffen, nach welchen sehr unchristlichen Gesetzen das Leben im Kloster verlief. Die Novizen wurden nur zu den schmutzigsten und unangenehmsten Arbeiten eingeteilt. Beten und Arbeiten bestimmte ihren Tagesrhythmus. Alle drei Stunden erfolgte das Chorgebet. Daran hatten alle Bewohner des Klosters teilzunehmen, außer den Glücklichen, die bei der Feldarbeit waren oder beim Fischen oder im Wald die Schweine hüteten. Die durften ihre Tagesgebete auch unter Gottes freiem Himmel verrichten. Rupert sehnte sich danach, über eine Wiese zu laufen, den Geruch frisch gebrochener Erde einzuatmen oder die Kühle des Waldes zu spüren. Doch er war hinter den Klostermauern gefangen wie in einem Kerker. Seine Hoffnung, im Kloster richtig Lesen und Schreiben zu lernen, hatte sich schon schnell zerschlagen. Es gab eine Bibliothek und eine Schreibstube, doch es waren vorwiegend ältere Mönche, die sich mit der Gestaltung von Abschriften biblischer Texte beschäftigten. Auch wurden hier Schriften verwahrt, gelesen, bedacht, kommentiert und diskutiert, doch alles in einem kleinen Kreis, denen nur bestimmte Mönche angehörten. Für Rupert blieben, wie für die anderen Novizen und Laienbrüder, die kein eigenes Vermögen in das Kloster eingebracht hatten, die niederen Tätigkeiten.
    Begehrt war die Küchenarbeit, denn die Küche war neben der Wärmestube der einzige Raum, in dem ein Feuer brannte. Bei der ständigen Kälte in den Gemäuern ließ es sich in der Küche noch am ehesten aushalten. Das Calefactorium,
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