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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes
Autoren: Michael Siefener
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welchen er auch im Raum nicht ablegte, vier Schöffen, die keineswegs den hehren Vorstellungen entsprachen, die sich Martin von einem Gericht gemacht hatte, und ein Notar mit einem staubigen Wams und fadenscheiniger Hose, deren Stoff an den Knien schon sehr dünn geworden war. Unter dem Arm trug er einen Stoß unbeschriebenes Papier sowie ein Aktenfaszikel, und in der rechten Hand hielt er einen Gänsekiel wie einen Dolch nach vorn auf einen unsichtbaren Feind gerichtet. Er sah niemanden an und steuerte sofort auf den äußersten Platz am rechten Ende des Tisches zu. Dort breitete er seine Schreibgeräte aus, schob die Akten in die Mitte des Tisches, spitzte dann geräuschvoll den Kiel und holte aus den Tiefen seines Umhangs ein kleines Tintenfass hervor, das er lautstark auf der Tischplatte abstellte.
     
    Der Richter begrüßte die Mönche förmlich, aber nicht ohne Ehrerbietung; Martin bemerkte, dass die Motten viele kleine Löcher in dessen Umhang gefressen hatten. Die Schöffen hingegen nickten der Geistlichkeit nur kurz zu.
     
    »Ungehobelte Tölpel«, zischte Bruder Suitbertus, »die niedrigsten ihrer Zunft. Und so etwas spricht Recht! Pah!« Er beugte sich ein wenig nach vorn, zog die aus dem Wirtshaus mitgebrachte Wurst unter seiner Kutte hervor und biss ein Stück ab. Sofort setzte sich ein Lächeln auf seinen kauenden Mund.
     
    Dann wurde der Beschuldigte von zwei mit kurzen Lanzen bewaffneten Bütteln hereingeführt. Martin betrachtete ihn aufmerksam und ängstlich zugleich. Es war ein kleiner, dicklicher Mann mit einer Halbglatze, sodass er beinahe wie ein tonsurierter Mönch aussah. Er steckte in einer härenen, grauen Kutte, die ihm bis fast zu den Füßen reichte. Seine Hände waren hinter dem Rücken mit einem groben Strick zusammengebunden. Der Gefangene zuckte mit den Schultern, als wolle er seine Fesseln etwas lockern, damit sie ihm nicht so sehr ins Fleisch schnitten. Er wurde unsanft auf den Stuhl gesetzt, der unter ihm ächzte und knackte. In seinen Augen lag Angst.
     
    Als Martin den besorgten Blick des Gefangenen auf sich ruhen spürte, sah er verlegen fort. War das etwa ein gefährlicher Zauberer, der den Heerscharen der Hölle gebieten konnte? Martin hatte sich ein völlig anderes Bild von ihm gemacht – ein dämonischeres.
     
    Das Verhör begann.
     
    Zunächst wurde der Mann nach seinem Namen gefragt. Der Notar schrieb ihn eifrig nieder. Dann ging der Richter auf die Vorwürfe der Zauberei ein, die dem Angeklagten zur Last gelegt wurden:
     
    »Gestehst du, dass du der Meierin die Kuh auf zauberische Weise leer gesaugt hast?«
     
    »Ich gestehe nicht«, antwortete der vermeintliche Zauberer leise. Martin warf einen seitlichen Blick auf Pater Hilarius. Dieser starrte den kleinen Mann an, als wolle er ihn durch die Macht seines priesterlichen Blickes versengen.
     
    »Gestehst du, dass du das Kind der Schmidtlin getötet hast, als du bei ihr warst und Brot von ihr gekauft hast?«
     
    »Ich gestehe nicht.« Jetzt klang es schon fester.
     
    »Gestehst du, dass …«
     
    Martin hörte bereits nicht mehr zu. Sein Blick glitt wieder zu den grünen Butzenscheiben und den Schemen dahinter. So langweilig hatte er sich einen Zaubereiprozess nicht vorgestellt. Welche absurde Angst hatte er doch vor diesem Verfahren gehegt, aber wenn er ganz ehrlich zu sich war, so war diese Angst in gewisser Weise auch erregend gewesen. Nun aber schien alles auf einmal so durchschnittlich und unwichtig zu sein. Seine Gedanken schweiften ab. Wie gierig Bruder Suitbertus nach der drallen Magd in der Schänke gestarrt hatte … das war widerlich gewesen.
     
    »… gestehe nicht.« Jetzt hörte es sich bereits beiläufig an.
     
    Plötzlich sprang Pater Hilarius auf. Sein Bauch schaukelte über der Tischkante. »Es ist genug!«, donnerte er. Der Angeklagte fuhr zusammen. »Dieser Wicht wird hier nichts gestehen! Die Befragung ist unsinnig. Auf die Folter mit ihm! Wir wollen doch einmal sehen, ob die zupackenden Daumenschrauben seine Zunge nicht zu lösen vermögen! Und das Streckbrett! Und die Spanischen Stiefel!« Er stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab. Sein merkwürdig schmales, verhärmtes und faltiges Gesicht war hochrot geworden.
     
    »Gemach, gemach«, wiegelte der Richter ab. »Wir müssen uns an die Regeln halten. Und das Gesetz schreibt vor, den Angeklagten zuerst mit seiner Anklage bekannt zu machen, wie Ihr sehr genau wisst. Wir sind noch nicht fertig.«
     
    Pater Hilarius wandte
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