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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle
Autoren: P. G. Wodehouse
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diesem Büchlein führe ich sehr heftige Argumente gegen die Liebe auf den ersten Blick an. Ich stelle sie als die bloße wahnwitzige Dummheit hin, die sie ist. Die Verbindung der Geschlechter sollte ein vernünftiger, vom Verstande geleiteter Prozeß sein. Was für eine junge Dame ist diese junge Dame?«
    »Sehr hübsch, Sir.«
    »Groß? Klein?«
    »Klein, Sir. Klein und pummelig.«
    Hamilton Beamish schüttelte sich.
    »Gebrauchen Sie nicht dieses schauderhafte Eigenschaftswort! Wollen Sie damit sagen, daß sie klein und dick ist?«
    »O nein, Sir, nicht dick. Bloß nett und pummelig. Was ich so knudelig nennen möchte.«
    »Mullett«, sagte Hamilton Beamish, »solange ich bei Kräften bin, werden Sie in meiner Gegenwart keine von Gottes Kreaturen als knudelig bezeichnen. Wo Sie Ihren Wortschatz her haben, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall ist es der furchtbarste, der mir je vorgekommen ist … Was haben Sie denn?«
    Der Diener sah mit der Miene eines schwer bekümmerten Menschen an ihm vorbei.
    »Warum schneiden Sie Gesichter, Mullett?« Hamilton Beamish drehte sich um. »Ah, Garroway«, sagte er, »da sind Sie ja endlich. Sie hätten vor zehn Minuten kommen sollen.«
    Ein Polizist war auf das Dach gekommen.
2
    Der Schutzmann salutierte. Er war ein langer, sehniger Mensch mit sanften blauen Augen, der von manchen Seiten aussah, als wäre er ganz Adamsapfel.
    »Ich muß mich wegen meiner Verspätung entschuldigen, Mr. Beamish«, sagte er. »Ich wurde auf der Wache aufgehalten.« Er blickte Mullett unsicher an. »Diesen Herrn muß ich doch schon kennengelernt haben?«
    »Nein, nein«, rief Mullett rasch.
    »Ihr Gesicht kommt mir sehr bekannt vor.«
    »Ich habe Sie nie in meinem Leben gesehen.«
    »Kommen Sie her, Garroway«, unterbrach Hamilton Beamish schroff. »Wir können die Zeit nicht auf müßiges Geschwätz verschwenden.« Er führte den Wachtmeister an den Rand des Daches und machte eine weitausholende Bewegung mit der Hand. »Also, sagen Sie mir, was Sie
    sehen.«
    Die Blicke des Polizisten forschten in der Tiefe.
    »Da unten ist das ›Rote Huhn‹. Der Laden wird wohl in den nächsten Tagen auffliegen.«
    »Garroway!«
    »Mr. Beamish?«
    »Ich bemühe mich seit einiger Zeit, Ihnen die Grundbegriffe des korrekten Sprechens beizubringen. Meine Anstrengungen scheinen vergeblich gewesen zu sein.«
    Der Polizist errötete.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Mr. Beamish. Man rutscht so hinein. Das kommt von dem Zusammensein mit meinen Kollegen auf der Wache. Ich wollte sagen, daß in den nächsten Tagen wohl eine Razzia in den Lokalitäten des ›Roten Huhns‹ zu erwarten ist, Mr. Beamish. Man hat uns darauf aufmerksam gemacht, daß das ›Rote Huhn‹ im Gegensatz zu Paragraph 18 noch immer alkoholische Getränke verabfolgt.«
    »Lassen Sie das ›Rote Huhn‹. Ich habe Sie heraufkommen lassen, um zu sehen, wie Sie die Aussicht schildern können. Das erste Erfordernis für einen Dichter ist die Entwicklung seiner Beobachtungsgabe. Was für einen Eindruck haben Sie von dem Bild?«
    Der Polizist betrachtete sanften Blicks den Horizont. Er ließ seine Augen von den Dächern der Stadt bis zum Hudson, der in der Sonne glitzerte, wandern. Dabei bewegte er seinen Adamsapfel zwei- oder dreimal auf und nieder, wie in tiefen Gedanken.
    »Es sieht recht hübsch aus«, sagte er schließlich.
    »Hübsch?« Hamilton Beamishs Augen funkelten. »Es ist durchaus nicht hübsch.«
    »Nein?«
    »Es ist düster.«
    »Düster?«
    »Streng und grimmig. Es zieht einem das Herz zusammen. Man muß an all das Leid und die trüben Sorgen denken, welche diese Dächer unter sich bergen, und das Herz blutet einem. Ich will Ihnen lieber gleich jetzt sagen, daß Sie nie ein moderner Dichter werden, wenn Sie alles hübsch finden. Seien Sie bitter, Mann, seien Sie bitter!«
    »Jawohl, Sir. Ich werde mir Mühe geben.«
    »Also schön, nehmen Sie Ihr Notizbuch und bringen Sie rasch eine Beschreibung der Dinge, die Sie sehen, zu Papier. Ich muß in meine Wohnung hinuntergehen und einiges erledigen. Suchen Sie mich morgen wieder auf.«
    »Jawohl. Entschuldigen Sie, Sir, aber könnten Sie mir vielleicht sagen, wer der Herr dort drüben ist, der mit dem Besen fegt? Sein Gesicht kam mir sehr bekannt vor.«
    »Er heißt Mullett und arbeitet bei meinem Freund George Finch. Aber kümmern Sie sich nicht um Mullett. Denken Sie nur an Ihre Arbeit. Konzentration! Konzentration!«
    »Jawohl, Sir. Ich werde mir Mühe geben, Mr. Beamish.«
    Er blickte den
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