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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba
Autoren: Melanie Little
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Buch heraus,
    das uns tatsächlich gehört – das Verzeichnis
    aller Rechnungen unserer Werkstatt.
    »Warum so viel Kredit?«, nörgelt Señor Ortiz.
    Ihm gehört nämlich nicht nur das Haus,
    sondern er ist jetzt auch Teilhaber unseres Geschäfts.
    Also sagt er, was ihm gefällt.
    Er findet, wir hätten kein Händchen für Geld.
    Und ich muss sagen, er hat recht.
    Wenn jemand nicht bezahlen kann,
    schreiben wir auch für Fleischpasteten ab oder für Papier
    oder für einen zukünftigen Gefallen.
    Papa sagt, am Ende würde alles
    seine Richtigkeit haben. Aber die Erde kann sich
    gar nicht mehr so oft drehen, dass die Leute
    uns noch zurückzahlen können, was sie uns schulden.
    Als der Señor sich endlich vom Tisch erhebt,
    sind Papas Augenbrauen fast bis zur Nase heruntergezogen.
    Es gibt gute Neuigkeiten: Unser Hausherr
    segelt morgen nach Lissabon.
    Und er hat uns einen Auftrag dagelassen.
    »Einen, der sich lohnt«, sagt Papa mit einem Lächeln.
    Oder ist es eine Grimasse?
    Es ist ein dummes Benimmbuch für Damen bei Hofe.
    Wie man sich anzieht. Wie viele Gewürznelken
    schlechten Atem vertreiben. Wie man sich –
    – und ich mache keine Witze! – seine Fürze verkneifen kann.
    Der Hausherr braucht fünfzig Abschriften. Bis zum Ende der Woche!
    Da seht ihr, was aus meiner Kunst geworden ist.
      
    Ausbruch
    Ich habe tagelang nichts anderes getan
    als kopieren.
    (Na ja, am Sonntag machten wir eine Pause,
    um zur Kirche zu gehen.)
    Jeden Abend, wenn das Licht zu schwach wird,
    müssen wir unsere Arbeit beenden.
    Pergament ist zu kostbar für gefährliches Kerzenlicht.
    Wenn wir Feierabend haben, möchte ich nach draußen.
    Aber seit sie den Jungen erhängt haben,
    ist es Mama und Papa lieber, wenn ich zu Hause bleibe.
    Ich habe nichts zu verbergen.
    Wir sind gute Christen.
    Wir halten sämtliche Fastengebote.
    Wer in aller Welt würde seine Zeit damit verschwenden,
    mir etwas anzutun?
    Eines Abends halte ich es nicht mehr aus.
    Es ist ein Festtag. Das Ausgehverbot ist aufgehoben –
    für alle außer Ramón! Ich höre die Fiesta
    bis hierher zu uns. Die Straßen hallen wider
    von Stimmengewirr und Liedern.
    Ein Ohr an die Tür legen –
    sie schlafen. Das ist nicht zu überhören.
    Mama und Papa schnarchen beide wie wilde Eber.
    Frei!
    Kein Nachdenken über die Richtung. Ich renne.
    Alle Straßen führen zum Fluss: an den Guadalquivir.
    Schon bald bin ich dort.
    Das Wasserrad steht still, aber dennoch höre ich
    leises Geplätscher. Und dann
    das Kichern eines Mädchens. Die schmeichelnde Stimme eines Jungen.
    Werde auch ich solche Augenblicke erleben?
    Oder sinke ich einmal ins Grab
    und habe nie etwas Weicheres
    in den Händen gehalten als Seiten,
    aus Kuhhaut und Schafsleder gefertigt?
      
    Sonntag
    Sonntags darf ich nach draußen, um,
    wie meine Eltern sagen,
    »ein paar Stunden zu spielen«.
    Als wäre ich fünf und nicht fünfzehn!
    Und selbst diese Freiheit ist eine Frucht
    der Angst.
    Wenn man am Sonntag zu Hause bleibt,
    denken die Mönche,
    man hätte etwas zu verbergen.
    Arbeitest du dort drinnen?
    Isst du vielleicht Fleisch?
    Beides ist sonntags verboten.
    Heimliche Juden und Ketzer tun es.
    Solche Monster müssen brennen.
    Daher ist es am Sonntag draußen sicherer als drinnen.
    Nächste Ostern gibt es ein
    königliches Turnier. Obwohl das noch Monate dauert,
    denken die Jungen im Viertel
    an nichts anderes mehr.
    Wir üben mit großem Eifer,
    als gäbe es eine Chance, wir würden morgen zum Ritter geschlagen
    und aufgefordert, daran teilzunehmen.
    Unsere Lanzen sind Äste,
    die wir von einem Baum abgerissen haben.
    Aber mit meinem Bimsstein
    spitze ich sie an, nur ein klein wenig.
    Lope nimmt sich die Dinge zu sehr
    zu Herzen. Manuel drückt ihn zu Boden
    und ruft: »Stirb, Judenhund!«
    Lope springt auf wie vom Skorpion gestochen.
    »Wage es nicht, mich so zu nennen, du –
    Marranenschwein! Dein Mund stinkt nach Knoblauch,
    und den essen die Juden!«
    »Und du stinkst einfach nur so !«
    Da ist die Luft raus. Die Antwort ist derart lahm,
    dass wir alle drei in Lachen ausbrechen.
    Aber später am Tag denke ich wieder an ihre Gesichter
    und sehne mich nach dem Sonnenaufgang,
    damit ich mich an die Arbeit machen kann.
    Dort sind die Worte ungefährlich.
      
    Gäste beim Abendessen
    Nicht immer überlassen sie
    das Spionieren uns.
    Eines Freitags stürmen drei Männer herein,
    als wir beim Abendessen sind.
    Freitag ist Fastentag:
    Kein Christ isst Fleisch.
    Sie spähen in den Topf
    mit so
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