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Der Schlitzer

Der Schlitzer

Titel: Der Schlitzer
Autoren: Jason Dark
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bestätigen, aber ich dachte schon weiter. Wie war es möglich, daß sich jemand so lautlos bewegen konnte? Zwar nannte man mich den Geisterjäger, doch mein Glaube an Geister hielt sich in Grenzen. Es gab Dämonen, finstere, schwarzmagische Gestalten, ich hatte Zombies, Vampire und Werwölfe erlebt, aber mit Geistern hatte ich so meine Schwierigkeiten. Hierauf dem Friedhof aber trieb sich ein derartiges Wesen herum, und ich dachte natürlich über den Grund nach.
    War es der Geist eines Toten, der keine Ruhe im Grab oder im Jenseits gefunden hatte? Gab es so etwas überhaupt? Ja, für uns schon, denn auch auf diesem Gebiet hatten wir unsere Erfahrungen sammeln können. Wir waren über eine Zwischenwelt informiert, die praktisch den Weg zwischen dem Diesseits und dem Jenseits markierte. Bill starrte den toten Vogel an. Mit einer müden Bewegung hob er seinen Arm und strich über die Stirn. »Und wir haben nichts gesehen, John, gar nichts. Wer immer sich hier auf dem Friedhof herumtreibt, er hat es nicht nötig, sich an irdische Gesetze zu halten. Er ist etwas, das wir beiden nicht begreifen können. Oder hast du bereits eine Erklärung bereit?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Was willst du tun?«
    Ich nahm ein Papiertaschentuch und wischte das Blut von der Schulter. Das Tuch warf ich in einen nicht weit entfernt stehenden Abfalleimer. Dort blieb ich auch und schaute über die Reihen der alten Gräber hinweg, die in dem Dunst aussahen, als würden sie auf den Wellen eines grauen Flusses dahintreiben, der in der Unterwelt mündete. Bill Conolly suchte an einer anderen Stelle. Er entdeckte ebenso viel wie ich, nämlich nichts. Schulterzuckend kehrte er zu mir zurück. Er machte einen ziemlich deprimierten Eindruck. »Nichts zu sehen, der Schlitzer muß mit dem Dunst eins geworden sein. Ich glaube fest daran, daß er noch unterwegs ist.« Bill schaute mich so auffordernd an, daß ich mich einer Antwort nicht enthalten konnte.
    »Ja, das ist durchaus möglich. Der Friedhof ist ziemlich groß, und es gibt viele Verstecke.«
    »Willst du ihn durchsuchen?«
    »Noch haben wir Zeit.«
    Bill warf einen Blick auf die Uhr. »Ja, bis es dämmert dauert es noch etwas. Komm!«
    Ich leistete Bill heimlich Abbitte. Dieser Fall bereitete mir schon jetzt Kopfzerbrechen. Ich fragte mich, wer dieser Schlitzer war und wie er hatte entstehen können.
    Dabei schössen mir zahlreiche Möglichkeiten durch den Kopf. Ich wußte ja, daß es bestimmte Geistwesen waren, ich dachte dabei an die Engel, die es in anderen Sphären gab. Ich dachte an die Totengeister, die keine Ruhe finden konnten, aber das alles ergab für mich keinen Sinn. Ich wußte nicht, warum dieses Wesen Tiere tötete.
    Oder übte es nur, um sich später an die Menschen zu wenden? Das wäre fatal gewesen, und der Gedanke daran ließ eine Gänsehaut auf meinem Rücken zurück.
    »So etwas wie heute ist schlimm«, sagte Bill. »Ich stehe lieber einer Kreatur aus dem Dämonenreich Auge in Auge gegenüber, als hinterrücks in eine Falle zu laufen.«
    »Stimmt.«
    »Jetzt ist es dein Fall, John!«
    »Stimmt auch!«
    Er spottete wieder. »Jedenfalls kannst du deinem Spitznamen Geisterjäger gerecht werden. Wir werden die Geisterjagen. Einen Nebelgeist, einen was weiß ich alles…«
    »Wir jagen einen Schlitzer, Bill!«
    »Klar.«
    Die nächsten Minuten vergingen schweigend. Wir bewegten uns immer an den Gräberfeldern entlang, die hier nicht sehr groß waren, weil dieser Friedhof noch zu den älteren gehörte und man den Toten würdige letzte Ruhestätten gegeben hatte und keine uniformierten Gräber, wie man sie von den neuen Friedhöfen her kennt.
    Über das dunkle Geäst der Bäume hinweg wuchs das Dach der Leichenhalle, die gleichzeitig als kleine Kapelle diente. Auch dieses Gebäude machte einen traurigen, verlassenen Eindruck. Nichts wies mehr auf die Zeit des Sommers hin, der Herbst hielt alles umschlossen. Die Wolken hingen tief am Himmel, und manchmal hatte es den Anschein, als würden die Dunstschwaden an ihnen festkleben. Ein breiterer und auch gepflegter Weg führte auf die Leichenhalle zu. Wir sahen zwei Arbeiter, die ihre mit Werkzeugen gefüllten Schubkarren auf einen kleinen Schuppen zu schoben, uns aber nicht sahen und weitergingen.
    Bill rieb seine Nasenspitze. »Hier ist er auch nicht«, sagte er und schaute sich um.
    »Richtig.«
    Mein Freund schüttelte den Kopf. »Du gefällst mir nicht, John. Du bist so komisch einsilbig. Als wärst du mit deinen Gedanken ganz
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