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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel
Autoren: Mia James
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musstest du sterben?
    April blinzelte gegen die Tränen an und drückte Gabriels Hand ein wenig fester. Sie wollte nicht weinen, nicht jetzt. Nicht, wenn sie sich so sicher fühlte, eng an den Mann gekuschelt, den sie über alles liebte. Vermutlich war ihr Miss Holdens Begräbnis mehr an die Nieren gegangen, als sie gedacht hatte.
    Es waren einfach zu viele Begräbnisse in letzter Zeit gewesen. Sie dachte an Detective Chief Inspector Johnstons Worte: » Es sterben weiterhin Menschen, Miss Dunne «, hatte er gesagt.
    Lag es an ihr? Bedeutete ihre Existenz als Furie, dass sie den Tod als ihren ständigen Begleiter hinnehmen musste? Musste sie sich damit abfinden, dass er stets an ihrer Seite war und all jene heimsuchte, die ihr nahestanden? Auch jemanden wie ihn ?, dachte sie und sah Gabriel an. Eines der Bilder, die ihr nachts den Schlaf raubten, flackerte vor ihrem inneren Auge auf: Gabriel, wie er mehr tot als lebendig und mit benzindurchtränkten Kleidern in dem brennenden Haus lag und sie anflehte, ihn zurückzulassen. Was, wenn sie ihn nicht aufs Dach gezerrt hätte? Allein die Vorstellung war unerträglich.
    »Kann ich dich etwas fragen, Gabriel?«
    »Klar, alles, was du willst.«
    »Was hast du in dieser Nacht in Sheldons Haus gemacht?«
    Er sah sie erstaunt an.
    »Du meinst, in der Nacht des Brands?«
    »Natürlich. Wann sonst?«, erwiderte sie eine Spur schärfer als beabsichtigt. »Wieso wolltest du ganz allein zum Regenten gehen? Wieso hast du mir nicht gesagt, was du vorhast?«
    Er lächelte flüchtig.
    »Weil du sonst versucht hättest, mich davon abzuhalten.«
    »Aber ich hätte doch nicht …«
    »Doch, hättest du. Du hättest gesagt, es sei zu gefährlich oder, was noch wahrscheinlicher ist, du hättest von mir verlangt, dass ich dich mitnehme. Und das konnte ich auf keinen Fall tun. Zumindest nicht, ohne dich in Gefahr zu bringen. Außerdem bin ich nicht mit der Absicht hingefahren, mich schnappen und an einen Stuhl fesseln zu lassen, sondern ich dachte, ich könnte mit ihm reden und eine Art Übereinkunft mit ihm treffen. Aber dann hat sich herausgestellt, dass er längst wusste, wer ich bin.«
    April nickte nachdenklich. »Aber was ist passiert, als du hingekommen bist? Ich meine, wie kam es, dass sie dich schnappen und an diesen Stuhl fesseln konnten?«
    Diese Frage beschäftigte April schon eine ganze Weile. Benjamin hatte ihm aufgelauert, gut und schön, aber wie hatten sie einen ausgewachsenen Blutsauger so mühelos überwältigen können? Noch dazu einen, der vor Wut kochte?
    Gabriel runzelte die Stirn, als denke er angestrengt nach. »Ich … ich weiß es nicht genau«, sagte er. »Vermutlich habe ich mir bei dem Sprung vom Dach irgendwo den Kopf gestoßen. Ich erinnere mich nur ganz verschwommen an alles.«
    Er nahm ihre Hände und blickte sie aus dunklen, eindringlichen Augen an.
    »Es tut mir schrecklich leid, dass ich dir nichts Genaues sagen kann. Ich weiß auch, dass ich in den letzten Monaten nicht immer der Zuverlässigste war, aber von jetzt an gehöre ich allein dir – zu hundert Prozent. Als der Regent dich in dem Flammenmeer weggeschleppt hat, dachte ich schon, ich hätte dich für immer verloren. So etwas will ich nie wieder erleben. Das könnte ich nicht ertragen. Ich will nie wieder von dir getrennt sein. Okay?«
    April war regelrecht schwindlig vor Glück.
    »Ja. Das klingt gut«, sagte sie grinsend.
    Er küsste sie, ihren Hals, ihre Wangen. Es war schrecklich, sich nicht auf den Mund küssen zu können, aber wenn sie es täte, würde ihn das Virus von innen heraus zerstören. Deshalb muss ich mich wohl oder übel damit begnügen , dachte sie, als Gabriel seine Arme um sie schlang. Sie konnte Gabriels Schutz gerade wirklich gut gebrauchen – in Anbetracht ihrer jämmerlichen Versuche, auf sich selbst aufzupassen. Wann immer sie in seiner Nähe war, fühlte sich alles richtig an. Na ja, nicht alles – sie lebte inmitten von Ungeheuern, die sie am liebsten bei lebendigem Leib abfackeln wollten –, doch von diesem Detail einmal abgesehen, war es das schönste Gefühl auf der Welt, seine Hand in ihrer zu spüren.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Gabriel. »Soll ich dich zurück nach Covent Garden begleiten?«
    »Nein, ich will nach Highgate. Ich war schon eine ganze Woche nicht mehr bei meinem Dad.«
    »Klar.« Er öffnete die Waggontür und ging vor ihr her die Treppe zur U-Bahn hinunter. April brauchte die regelmäßigen Besuche am Grab ihres Vaters, auch wenn es noch so
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