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Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Titel: Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Autoren: Fritz Gleiß
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langsam außer Fahrt geriet. Wie er es geschafft hatte, seine Kunst an diesen einen muzungu , diesen vorgeblich „weißen“ Menschen zu verhökern – angesichts von Manhattens Rückkehr interessierte es bald niemanden mehr so recht. Und doch unterbrachen wir ihn natürlich nicht und ließen ihn allein zum Ende kommen. Vater wird glücklicherweise nur selten so ausschweifend wie andere Alte. 
    Der mzee hatte einen Typen als Käufer getroffen wie lange nicht: der nicht feilschte, nicht zuviel wissen wollte, keine arroganten Sprüche klopfte, sondern die Kunst des sonderlichen alten Mannes schlicht akzeptierte. 80.000 tanzanische Shilling, fünfzig Dollar, für zwei Erinnerungsstücke, die zu Hause wegen ihres anhaltenden Gestanks nach Terpentin sicher bald auf dem Speicher landen würden: Wieviel Geld diese Durchreisenden doch auszugeben imstande sind! 
    Hatten bewundert den mzee ; gegen dessen Autorität jedoch lehnt er sich zuweilen auf. Dann macht er ihn dafür verantwortlich, dass er sich so schinden muss. Vater hatte ihm nur noch neun statt meiner dreizehn Jahre Schule finanziert; und selbst das war noch ein Privileg. Als Mitte der Achtziger überall auf der Welt die Sozialausgaben zusammengestrichen wurden, explodierten bei uns die gerade erst abgeschafften Schulgebühren. Trotzdem verdient Hatten seit Jahren viel verlässlicher Geld als ich. 
    Anfangs hatte Vater ihm verbieten wollen, sich am Berg zu verdingen. Der Alte hält es für schwachsinnig, lebensgefährlich und geradezu gotteslästerlich, hinauf in die luftleere Eiseskälte zu steigen, die die Geister der Ahnen beschützt. Waren nicht gerade erst wieder zwei Träger im Sturm da oben umgekommen? Auch kränkt es ihn, wenn sich sein Sohn Touristen anbiedert, die dort im Dutzend tagtäglich ihre Touren machen. Reicht es nicht, dass er als alterndes Oberhaupt der Familie mit Pappbildchen seinen Unterhalt bestreiten muss?
    Doch trotz des Verbots stand Hatten eines Tages an der Schranke vor dem Nationalpark-Eingang. Dort warteten wie er zig andere Jungs aus der Umgebung auf Geld und auf wazungu , auf diese Spezies weitgereister Menschen mit rosaroter Haut, die sich, all inclusive , ihren grotesken Lebenstraum verwirklichen, die sich quälen, um für irre viel Geld Afrikas höchstem Berg aufs Dach zu steigen. Die das – ausgerüstet mit Daunenschlafsack, Rescue-Packs, Multivitamintabletten und Thermounterwäsche – hochtrabend Selbstfindung nennen, zuweilen gar ummänteln mit karitativem oder Ökoschnickschnack, während Hatten damals noch nicht einmal vernünftiges Schuhwerk geschweige denn eine warme Jacke hatte. Da war er sechzehn. 
    Er blieb drei Wochen von zu Hause weg, und als er wieder kam, hatte er Frostbeulen an den Füßen und die Taschen voller Geld. So jedenfalls sah es für uns Geschwister aus. In Wahrheit hatte er in fünf Tagen Schwerstarbeit zehn Dollar Taschengeld verdient, barfuß in seinen Gummilatschen, als Träger von Rucksäcken schwer wie Bananenstauden mit all den tollen Sachen der Touristen, hinaufgeschleppt an den Rand von Afrikas mächtigstem Gletscher, zur letzten Hütte auf 4.705 Meter Höhe, wo das Thermometer nachts unter zehn Grad minus fällt. Mein Bruder war halt immer schon ein wenig spinnert – aufmüpfig, aber mit Gespür für Geld.
    Der mzee bemerkte die Unruhe seiner Söhne nicht, die sich von seiner Kunst entfernten. Nicht so sehr von seinen verkitschten Dorfcollagen, nein, von eben dieser Kunst, zu Geld zu kommen. Wie er die Bilder an die Leute brachte. Das kannten wir längst zu genüge: Wie er auf fettwanstige Biertrinker zuzugehen weiß, rosarote, gelbe wie auch dunkelbraune, die ihm am Ende ein Almosen geben und seine Bilder unter all den schwitzend nassen Flaschen auf dem Tisch dann glatt vergessen. 
    Nein, jetzt wollten wir von Hatten hören, wie es zum x-ten Mal gewesen war: Mitten unter Fremden den Kilimanjaro zu bezwingen, ihnen den Weg aufs Dach Afrikas zu zeigen und Geld abzuknöpfen – so viel wie möglich und doch nie genug, um alle Beteiligten zu befriedigen: die Träger, den Koch, die bestochenen Parkangestellten, Zulieferer und alte Rechnungen. Selten nur langte es für die Schulden, geschweige denn für Wünsche. Schinderei für Shillingfuchser: Wie ertrug Hatten das bloß immer wieder? Okay, über die Jahre war er aufgestiegen, vom simplen „Porter“ zum echten Tourguide, der aber auch grundsätzlich den härtesten Part bis zum Gipfel zu bestreiten hatte, 1.200 Höhenmeter mehr als jeder
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