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Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Titel: Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Autoren: Fritz Gleiß
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nicht. Schütte war auf Familien-Erinnerungs- und -Entdeckungstour, erzählte er. Vorfahren seiner Eltern waren als verarmte Landlose Anfang des letzten Jahrhunderts Kaisers Ruf gefolgt, die Kolonien zu erschließen, um dem Reich und natürlich auch den „Eingeborenen“ Gutes zu tun. Davon selbstlos überzeugt, seien sie ausgewandert zum Nutzen Dritter, der armen, unwissenden Negerheiden. Um das zu illustrieren, zog der Deutsche einen Brief hervor und begann ungefragt zu übersetzen.
    „Wir treffen hier auf ausgewachsene Männer“, schrieb Schüttes Urgroßvater, ex-Kürschner voller Hoffnung, „die mitten am Tag tanzen wie die Kinder. Die Frauen stillen ununterbrochen irgendwelche Blagen, ganz gleich, wie lang die eigene Niederkunft zurückliegen mag. Wir leben unter freundlichen Wilden und hoffen, ihnen Civilisation beizubringen. Schon zwei von Pater Thomas´ Meßdienern sprechen ein bißchen deutsch. Täglich trägt er ihnen aus der Bibel vor, das lernen sie dann auswendig. Zum Lesen reicht es bei den Negern ja leider selten.“ Nervös schaut Schütte auf beim Lesen, ganz wohl ist ihm nicht bei diesem Text, „nigger“ hatte er schon verschämt durch „natives“ ersetzt, doch Manhatten scheint er zu amüsieren:
     „Hundert Jahre alter Mist, aber erhellend! Ich hätte ja ...“, setzt der zwischendurch mal an, doch schon bremst ihn Schüttes deutsch-touristisches Sendungsbewusstsein erneut:
    „Der Brief geht ja noch weiter! `Als wir vor drei Jahren in Kilwa an Land gegangen waren´, schreibt mein Ahn, der Siedler, `riefen wir sofort die kräftigsten Neger zusammen. Elf Baumfäller und Schneisenschläger, sechs Fährtenleser, die auch für uns jagten, 131 Träger und neun Kinder- und Küchenmädchen haben wir am Schluß befehligt! Zwei Tage halfen uns die Eingeborenen noch mit ihren Einbäumen, dann aber trocknete das Flussbett aus und es ging über Stock und Stein durch dichten Busch. Zelte, Werkzeug, Rohre, Badewanne, Dampfdreschmaschine – steam thresher, right? –, Sensen, Räder, Waschschüsseln, Plättbretter, Eisen, Geschirr, Möbel, Spiritus – was das alles wiegt! Ruthilds Sänfte – this historic chair be carried by slaves, you know? – mit Walter auf dem Schoß hoben allein vier Mann. Und doch ging auf der tagelangen Expedition so einiges zu Bruch. Fast unersetzlich: das Soxhlet. Wie sollen wir ohne diesen so segensreichen Apparat jetzt bloß trinkbare Milch für die Kinder herstellen? 
    Auf der Farm spielt zur Zeit eine dicke bibi die Amme für Walter, den der Herrgott Ruthild vergangenen Januar nach den beiden Mädeln endlich zur Welt bringen ließ. Aber mussten wir dafür tatsächlich erst in die Kolonien gehen, um unseren Stammhalter von der erstbesten Negerin stillen zu lassen?´“ Einmal mehr blickt Schütte pikiert zu seinem guide, aber der hört gelassen zu. 
    Die Kopie des Briefs, aus der der Deutsche übersetzt, hatte sich Schütte zuhause im Heimatmuseum der Kreisstadt machen lassen. Das rassistische Schreiben war dort schon mehrfach als „Dokument der Zeitgeschichte“ ausgestellt worden, meist ohne jeden Kommentar. Adressiert hatte den Brief sein Urgroßvater 1916 an den befreundeten Kolonialwarenhändler Voscherau aus Rosengarten, der damit überall hausieren ging. Briefe aus der Ferne bereicherten das eigene Sozialprestige auch damals schon. Kurz vor seinem Tod hatte Voscherau die Korrespondenz, die noch einige Seiten mehr enthielt, dem heimatlichen „Volksmuseum“ vermacht.
    Mittlerweile war es Nacht geworden, Schütte begann zu zittern und auch Manhatten wurde langsam richtig kalt. Das Lesen und Übersetzen des Briefs fiel dem bierseligen Deutschen im Kerzenlicht zunehmend schwer. Teile des Schreibens bleiben unverständlich. Irgendwo ist die Rede von Engländern, Deutsche vor sich hertreibend, dann von einem Versteck für wertvolle Sachen, verbuddelt unter den Wurzeln eines nicht mehr ganz jungen Mangobaums, der den Karawanenhändlern seit Jahrhunderten Schatten spende. Von einem Versteck für Wertvolles, für Handelsware von beträchtlichem Wert, das ausgehoben wurde, um Plünderungen der vorrückenden Engländer vorzubeugen. 
    Den Schluss des Papiers vom Urgroßvater übersetzt Schütte dann doch noch mal so gut er kann: „Auch wenn die Farm nach unserer fünften Ernte in drei Jahren noch immer keinen Gewinn abwerfen sollte, selbst wenn unsere Kokospalmen auch dieses Mal nicht tragen sollten, Cashew und Baumwolle verrotten, zahlt sich unser Aufenthalt trotzdem
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