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Der Schatz des Dschingis Khan

Der Schatz des Dschingis Khan

Titel: Der Schatz des Dschingis Khan
Autoren: Monika Felten
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mit dem duftenden Heu stand verlassen unter der wuchtigen Eiche und auch sonst konnte sie nirgends eines der Pferde entdecken.
    Seltsam.
    Das Gefühl nahenden Unheils verstärkte sich, während sie die flache Hügelkuppe in der Mitte der Weide erklomm. Als sie die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatte, hörte sie Ascalon wiehern. Es war ein Laut, wie sie ihn von ihm noch nie zuvor gehört hatte. Voller Angst und Sorge und so schrill, dass es fast schon an Panik grenzte. Erschrocken begann sie zu laufen. Die eisige Luft schnitt ihr in die Kehle, ihr Atem ging keuchend und ihr Herz klopfte wie wild, als sie sich halb verrückt vor Sorge den verschneiten Hügel hinaufkämpfte.
    »O nein!« Oben angekommen blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte entsetzt auf das Bild, das sich ihr bot. Hundert Meter vom Fuß des Hügels entfernt lag ein kleiner See, an dem die Pferde trinken und sich an heißen Sommertagen etwas Abkühlung verschaffen konnten. Ihre Mutter hatte den Uferstreifen und einen kleinen Teil des Sees erst im vergangenen Sommer gekauft, nachdem der Bach, der über die Weide floss, schon zum dritten Mal ausgetrocknet war und die Pferde nichts zu trinken hatten. Um zu verhindern, dass die Tiere durch den See schwammen, hatte sie einen Zaun quer durch die kleine Bucht ziehen lassen.
    Der See war schon lange zugefroren. Vivien und Mirko hatten immer wieder gebettelt, dort Schlittschuh laufen zu dürfen, aber ihre Mutter hatte es ihnen streng verboten.
    »Die Gase, die vom Grund des Sees aufsteigen, machen die Eisdecke brüchig. Und selbst wenn wir Temperaturen wie in der Arktis haben«, hatte ihre Mutter erst vor ein paar Tagen mit strengem Blick gesagt, »den See dürft ihr auf gar keinen Fall betreten – verstanden?«
    Nadines Stute Fanny, die von den Gefahren des zugefrorenen Sees nichts wissen konnte, waren solche Verbote fremd. Einsame Hufspuren auf der unberührten Schneedecke zeugten davon, dass sie sich weit auf das Eis hinausgewagt hatte. Das Wasser in dem Weiher stand hoch. Nur ein kleiner Sprung war nötig gewesen, um den Zaun zu überwinden, dessen Pfähle weniger als einen Meter aus dem Eis herausragten. Dieser Sprung war ihr zum Verhängnis geworden.
    Muriel blieb fast das Herz stehen, als sie sah, dass das geliebte Pony ihrer Freundin bis zum Hals im Wasser steckte. Verzweifelt versuchte es, mit den Vorderhufen wieder auf das Eis zu gelangen. Doch vergeblich. Die schweren Hufschläge ließen Scholle um Scholle abbrechen und das Loch immer größer werden, während Fanny in dem eisigen Wasser immer schwächer wurde. Die anderen Pferde standen am Ufer und beobachteten den dramatischen Überlebenskampf der Connemarastute scheinbar gelassen. Hätte Ascalon Muriel nicht alarmiert, hätte niemand etwas von dem Unglück bemerkt.
    Ich muss ihr helfen! Muriel überlegte fieberhaft, was sie tun konnte. Den ersten Impuls, hinaus aufs Eis zu laufen, um Fanny am Halfter zu packen, verwarf sie gleich wieder. Die kleine Stute war vor Todesangst so in Panik, dass die wirbelnden Vorderhufe zu einer ernsten Gefahr werden konnten, selbst wenn die Eisdecke Muriel tragen würde.
    Von zu Hause war auch keine Hilfe zu erwarten. Ihre Mutter war nicht da und Andrea, die sich um den Stall und die Pferde kümmerte, kam im Winter immer erst gegen zehn Uhr auf den Birkenhof. Also gab es nur noch eine Möglichkeit.
    Mit den Zähnen befreite sich Muriel von ihren Handschuhen, fischte ihr Handy aus der Jackentasche und wählte mit zitternden Fingern den Notruf der Feuerwehr.
    »Hallo? … Ja … ein Notfall … richtig! … Bitte kommen Sie schnell. Hier ist ein Pferd im Eis eingebrochen … Ja, ein Pferd. Es ist schon ganz schwach …« Die Worte sprudelten nur so aus Muriel hervor – ungeordnet unter Tränen und mit zitternder Stimme. »Wie? Meinen Namen? … Ach so, Muriel … äh, Vollmer … Muriel Vollmer. Wo? Na hier … auf dem Birkenhof bei Willenberg … O bitte kommen Sie schnell, ich mache mir solche Sorgen … Wie lange es schon im Wasser ist? … Das weiß ich nicht. Vielleicht zwanzig Minuten oder so … Eine Straße? Nein, nicht von unserem Hof aus. Aber warten Sie mal, auf der anderen Seite des Zauns führt ein Feldweg bis zum Ufer. Oh gut, Sie wissen Bescheid … Der Weg ist auch ganz in der Nähe der Einbruchstelle. Ja … ja, danke. Ich warte hier …«

Operation Fanny

    Die nächsten fünfzehn Minuten wurden zu den längsten in Muriels Leben. Fannys Überlebenskampf mit ansehen zu müssen, ohne ihr helfen
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