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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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unverschlossen. Mit einem Satz war er mitten im Zimme r – und hielt inne. Zimmer Nummer zwölf war leer. Birger Jacobsen spürte Wut in sich aufsteigen. Rasend vor Zorn riss er den Schrank auf. Nichts. Wo war die rothaarige Schlampe?
    Sein Augenlid begann heftig zu zucken. Sie war ihm wieder einmal entwischt. Aber wie war das möglich? Er hatte den Eingang von seinem Posten in dem Café gegenüber aus doch die ganze Zeit beobachtet! Ihm fiel der Fahrstuhl wieder ein, der an ihm vorbeigefahren war, als er den Jungen in Schach gehalten hatte. So musste es gewesen sein, der Zufall hatte ihr das Leben gerettet. Vorerst.
    Birger Jacobsen war dabei, die Schranktür wieder zu verschließen, als eine Punkmelodie ertönte, irgendein unrhythmisches Zeug. Gedämpft kämpfte sie sich ihren Weg an sein Ohr. Birger Jacobsen versuchte die Richtung zu erahnen, aus der sie kam. Er trat ans Bett und zog das Kopfkissen weg. Ein weißes Handy kam zum Vorschein. Auf dem Display leuchtete eine New Yorker Nummer. Nach kurzem Zögern entschloss er sich zu antworten. Er drückte auf die Taste mit dem grünen Hörer.
    »Hm«, säuselte er mit hoher Stimme.
    »Rascal? Hier ist Juuurgen!«, lallte jemand. »Seid ihr schn anner Pyramide?«
    Birger Jacobsen zuckte zusammen. Er erkannte die Stimme sofort wieder! Diesem versoffenen Fettsack hatte er eine kräftige Beule am Hinterkopf zu verdanken. Seinetwegen waren ihm Sid und das Mädchen in New York entwischt. Zähneknirschend drückte er den Zipfel des Kissens über die Muschel.
    »Nein«, flötete er mit verstellter Stimme.
    »Hör auf deinen allen Kumpel Jurgen, den Kaizer!«, schmetterte es am anderen Ende. »Gib guuut auf dich acht. Dein Froind Sid kricht ohne dich ja doch überhaupt nichts auf die Raiiiij e …«
    »Mach ich!«, erwiderte Birger Jacobsen leise.
    »Gibbs nichts zu fressen, da in Affrika?«, lallte Jurgen. »Du klings so schlapp!«
    Birger Jacobsen grübelte. Vielleicht bin ich doch zu voreilig gewesen, dachte er. Vielleicht braucht der sa tatsächlich eine Nanny, die ihm das Händchen hält und ihm zeigt, wo es langgeht. Er traf eine schnelle Entscheidung. Gut, die Schlampe sollte noch ein wenig weiterleben, aber er würde jeden ihrer Schritte genau im Auge behalten.
    »Rascal? Wasn los?«
    Entschlossen drückte er das Gespräch weg. Dann suchte er im Menü nach den gespeicherten Nummern. Hier war sie: Sid. Wer wusste schon, wofür er sie einmal gebrauchen konnte. Er warf das Handy aufs Bett und ging in den Flur zurück. Dort zog er dem vor sich hin dämmernden Klops an der Rezeption den Kaftan über den Kopf. Mit einer brutalen Bewegung schnitt Birger Jacobsen ihm den Bart ab und verwandelte sich damit selbst in einen Araber. Seelenruhig marschierte er an dem Jungen und dessen aufgebrachten Eltern vorbei auf die Straße.

4. Kapitel
    Giza, Große Pyramide, Samstag, 13 . Oktober 2007, Nacht
    Ein Aufprall. Hitze überall. Es roch nach Kräutern, nach Nikotin, nach Veilchen. Fremde Worte drangen an sein Ohr. Arabisch, französisch, Lieder mit nervösen Melodien. Jeder Knochen in seinem Leib schmerzte. Wie durch eine Mühle gedreht. Sein Magen rebellierte. Sein Herz schlug schmerzhaft.
    Gibt es doch ein Leben nach dem Tod?, dachte er. Bin ich im Himmel, in der Hölle, im Paradies? Denken tat weh. Nicht die Augen öffnen!, durchzuckte es ihn. Für immer geschlossen lassen! Ich will nichts sehen, nichts riechen, nichts hören! Ich will tot sein!
    »Ich glaube, er kommt zu sich!«, flüsterte jemand. Eine warme, angenehme, liebevolle Stimme. Rascal!
    Was hatte das zu bedeuten? Sid versuchte seine eigene Frage zu ignorieren. Er wollte nicht in die Welt zurück.
    »Lass ihm noch ein bisschen Zeit«, murmelte eine andere Stimme, tief und wohlklingend wie ein gut gestimmter Kontrabass.
    Sid blinzelte. Lichter zuckten an ihm vorbei. Die grellen Lichter einer Großstadt. »W o …?«, krächzte er mühsam.
    Rascals Gesicht schälte sich aus der Dunkelheit. »Sid!«, sagte sie mit unverhohlener Sorge. »Das hätte schiefgehen können!«
    Sid stieß geräuschvoll die Luft aus. Er wollte nie wieder atmen. Aber die Hand auf seinem Arm fühlte sich gut an. Wie sein Anker zur Welt. Langsam schlug er die Augen auf. Er saß zusammengesunken auf der Rückbank eines Taxis. Der Fahrer versuchte sich auf den Verkehr zu konzentrieren, doch immer wieder glitt sein Blick in den Rückspiegel und musterte seine Insassen. Von Sid ertappt, starrte er wieder auf die Straße und begann das Lied
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