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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition)
Autoren: Sanna Seven Deers
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würde es Joseph Rock Horse, zusammen mit dem Rauch der Feuer und dem rhythmischen Trommeln, erleichtern, die Verbindung mit der Geisterwelt herzustellen.
    Nun traten Chad Blue Knife und die anderen Tänzer auf den Zeremonienplatz. Es waren Männer und Frauen verschiedenen Alters, die aufgrund ihrer spirituellen Fähigkeiten ausgewählt worden waren. Sie alle hatten sich für diese feierliche Zeremonie mit den traditionellen, aus weichen Zedernrindenfasern angefertigten knielangen rotbraun schimmernden Umhängen geschmückt. Dazu trugen sie aus Zedernholz geschnitzte, mit langen Streifen aus Zedernrinde verzierte und in den traditionellen Farben Weiß, Rot und Schwarz bemalte Tiermasken. Chad fiel auf, dass eine der Frauen an diesem Abend eine besonders schön gearbeitete Maske trug. Sie stellte eines seiner Lieblingstiere dar, einen Bären.
    Begleitet vom Rhythmus der Trommeln und der kleinen Paddel und vom Gesang der Ältesten, setzten sich die Tänzer in Bewegung. Gegen den Uhrzeigersinn zogen sie in wogenden Kreisen um die Ältesten und die beiden rot und grün lodernden Feuer herum und ahmten dabei die Bewegungen und Laute der Tiere nach, die ihre Masken darstellten. Bären, Otter, Lachse, Hirsche und viele andere, durch die Tänzer zum Leben erweckt, zogen langsam ihre Kreise um die hell glühenden Feuer.
    Der farbige Rauch stieg nicht sofort durch die Öffnungen im Dach in den nächtlichen Himmel empor, sondern wirbelte durch das Zeremonienhaus, wand sich in Schwaden und schien während der gesamten Zeremonie wie ein lebendiges Wesen über den Köpfen der Tänzer zu schweben.
    Der ruhige, gleichmäßige Takt und die monotonen Gesänge der Ältesten versetzten alle im Saal innerhalb kürzester Zeit in eine Art Bann, und schon bald konnte niemand mehr sagen, wie lange die Zeremonie bereits andauerte.
    Chad Blue Knife, einen traditionellen Umhang aus Zedernrinde um seine breiten Schultern geschlungen und eine handgeschnitzte Wolfsmaske auf seinem markanten Gesicht, konzentrierte sich auf jeden seiner tänzerischen Schritte.
    Wie die anderen Tänzer war auch er nicht mit der ganzen Zeremonie vertraut, er wusste aber, dass sie erst dann beendet sein würde, wenn die Ältesten ein Zeichen aus dem Reich der Toten erhalten hatten, dass man ihre Bitte erhört habe. Niemand vermochte zu sagen, wie lange sie auf eine Antwort würden warten müssen, und Chad hatte sich innerlich auf eine lange Nacht vorbereitet.

    Hinter der Tür war es finster. Gedämpfte Stimmen, Trommelschläge und ein helles hölzernes Klopfen drangen an Myras Ohr. In der Luft lag der würzige Geruch eines offenen Holzfeuers, und dünne Rauchschwaden zogen über ihr hinweg. Von den Stimmen und den seltsamen Klängen wie in einen Bann gezogen, schlüpfte Myra durch den Türspalt und ertastete sich vorsichtig ihren Weg. Ihre Hand glitt über eine Erhebung an der Wand des Ganges, und ihr Herz machte einen Sprung. Die Erhebung war rund und glatt und hatte hier und da Vertiefungen. Erleichtert erkannte Myra, dass es sich um eine Schnitzerei handeln musste. Was sie darstellte, konnte Myra in der Dunkelheit jedoch nicht erkennen.
    Erst jetzt bemerkte sie, dass der dunkle Raum, in dem sie sich befand, in Wirklichkeit ein schmaler Gang zwischen tribünenartig aufgebauten Sitzreihen war, an deren Ende sich ein großer, vom Schein zweier Feuer erleuchteter offener Platz befand. Vorsichtig ging sie weiter. Der Gesang, das Trommeln und die hölzernen Klickgeräusche wurden lauter und lauter. Im tanzenden Licht von hohen Flammen konnte Myra die schattenhaften Gestalten von Tänzern erkennen, und sie spürte, dass viele Menschen in dem großen Raum waren … und noch mehr. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie bekam eine Gänsehaut.
    Sie wusste sofort, dass ihre Anwesenheit hier fehl am Platz war.

    Plötzlich hallte ein lauter Schrei, fast ein Wehklagen, über den Zeremonienplatz. Chad fuhr erschrocken zusammen. Die Trommeln und der Gesang der Ältesten verstummten, die Tänzer, jäh aus ihrem Bann gerissen, stießen gegeneinander, und auf den Tribünen stockte das Stampfen und Klicken.
    Chad blickte sich verwirrt um. War ihre Bitte schon erhört worden?
    Er sah zu den Ältesten hinüber und wusste sofort: Joseph Rock Horse war aus der Welt der Ahnen zurückgekehrt.
    Irgendetwas hatte die Aufmerksamkeit der Ältesten auf sich gezogen. Chad folgte ihren Blicken und beobachtete, wie die Rauchschleier, die eben noch den Schritten der Tänzer gefolgt waren,
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