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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren
Autoren: Gunnar Kunz
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Niflungen.
    Ivo, der Stallbursche, kam herbeigeeilt und nahm die Pferde in seine Obhut. Er war ein schmutziger Junge mit vorstehenden Zähnen, aber es gab niemanden weit und breit, der größeres Heil im Umgang mit Tieren besaß. Die Pferde schienen es zu spüren und ließen sich willig von ihm in den Stall führen.
    Gislher, der Sigfrid bislang nur in stummer Verehrung angestarrt hatte, konnte sich nicht länger bezähmen. »Ist das das berühmte Schwert?«, fragte er, auf Mimung deutend.
    »Ja. Mimes Meisterschwert. Wollt Ihr es sehen?« Ohne eine Antwort abzuwarten legte Sigfrid die Hand um den goldverzierten Griff. »Geben kann ich es Euch nicht, denn es hat ein eigensinniges Wesen, das durch keinen Zauber gebannt wurde. Aber sehen sollt Ihr es.« Mit einem Ruck zog er das Schwert aus der Scheide.
    Wie immer spürte er die gewaltige Macht, die es durchströmte, zusammen mit der Auflehnung gegen seinen Besitzer. Mimung hatte einen unersättlichen Hunger nach Blut und konnte nicht unterworfen werden. Es war leichtsinnig von ihm, das Schwert grundlos herauszufordern, aber es bereitete ihm jedes Mal Vergnügen, sich mit der Klinge zu messen. Ihr Singen und Funkeln war von atemberaubender Schönheit und suchte ihren Herrn in seinen Bann zu ziehen, um ihn zum Töten zu verleiten. Es war ein Kampf Wille gegen Wille, und es brauchte Sigfrids ganze Kraft, um Mimung im Zaum zu halten. Gewaltsam zwang er das protestierende Schwert in die Scheide zurück.
    »Was für eine Waffe!«, hauchte Gislher.
    Hagen war den anderen gefolgt, nachdem er die Übungsschwerter eingesammelt und sein Wolfsfell umgelegt hatte, das ihn als Auserwählten kennzeichnete, als Krieger des Kampfbundes im Zeichen des Wolfes. Er trug es nicht aus Eitelkeit, sondern als Mahnung an sich selbst. Es gehörte zu seinem Leben vor König Aldrian, zu einem Leben, an das er nur mit Schaudern zurückdachte. Der Pelz erinnerte ihn beständig daran, wie nahe er daran gewesen war, ein Neiding zu werden, und dass seine Dankesschuld an die Niflungen nicht hoch genug anzusetzen war.
    Scheu deutete Sigfrid auf das Fell. »Ihr habt Wodans Kampfekstase über Euch kommen lassen?«
    Hagen nickte gleichgültig.
    »Wenige haben den Mut dazu. Ich würde fürchten, mich in der Großen Dunkelheit zu verirren und den Weg zurück nicht mehr zu finden. Habt Ihr Euer Auge in einem Berserkerkampf verloren? Oder hat das etwas mit Eurer albischen Vergangenheit zu tun?«
    Die Niflungen erstarrten zu Salzsäulen. Sie konnten nicht fassen, dass jemand die Kühnheit besaß, Hagen direkt nach einer so intimen Sache zu fragen. Selbst Eckewart, der die unbekümmerte Art seines Herrn gewohnt war, zuckte zusammen.
    Hagens erster Impuls war, zum Schwert zu greifen, aber er bezähmte sein heißes Blut und zwang sich zur Ruhe. Sigfrid war Gunters Gast. Außerdem hatte keine Verachtung in den Worten des Sachsen gelegen. Er war einfach ein dummer Junge, der den Mund aufmachte, ohne nachzudenken. »Das geht Euch nichts an«, erwiderte der Waffenmeister schroff.
    »Habe ich Euch beleidigt? Tut mir leid. Vermutlich seid Ihr der Meinung, man sollte meinen vorlauten Mund stopfen.« Sigfrid lachte. »Mein Vater würde Euch zustimmen. Ich glaube, dies war auch sein größter Wunsch.«
    Selbst auf einen Mann wirkte sein Lachen entwaffnend. Verblüfft entdeckten die Niflungen, wie Hagen, der grimmige, unzugängliche Hagen, mit einem zögernden Lächeln antwortete, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete wie Wellen in einem Teich.
2
    Aufgeregt stand Grimhild inmitten eines Haufens verschiedenfarbiger Gewänder und konnte sich für keines davon entscheiden. Beim heutigen Festmahl zu Ehren der Gäste durfte sie, der Tradition der Walküren in Wodans Halle folgend, Wein und Bier reichen und die Krieger bedienen. So etwas kam allzu selten vor, sie begrüßte die Unterbrechung der alltäglichen Langeweile. Selbst die Unfreien freuten sich trotz der zusätzlichen Arbeit, denn Gäste brachten Abwechslung und für gewöhnlich auch interessante Neuigkeiten. Besonders gespannt war Grimhild auf den Mann, dessen Taten so oft von den Skopen besungen wurden. Ob Jungherr Sigfrid der Vorstellung entsprach, die sie sich von ihm machte?
    Irmgard, eine Hermionin, in deren Adern noch cheruskisches Blut floss, half ihr wie gewöhnlich beim Ankleiden. Sie war ein blässliches, farbloses Mädchen, aber Grimhild schätzte sie wegen ihrer Zuverlässigkeit und weil sie sich niemals von ihrer Aufgeregtheit anstecken ließ. In der
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