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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring
Autoren: Paul Melko
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Podmitglied! Los!«
    Wir hatten Glück, die Anoraks hingen gleich im Schrank, und wir konnten sogar noch ein Polymerzelt einstecken. Elliott O’Toole trägt nur einfache Baumwollmäntel ohne Wärmeisolation, das haben wir auf dem Flug mitbekommen. Der Arme.
    Zwanzig Kilogramm sind nicht viel. Sechzig Kilo habe ich mir aufgeladen, den Rest an meine Podpartner verteilt. Im Aircar ist uns aufgefallen, dass Hagar Julian und Elliott O’Toole ihr Gepäck gleichmäßig aufgeteilt haben. Sie achten nicht auf ihre individuellen Stärken.
    Strom!, ermahnt mich Meda ein zweites Mal. Schnell lasse ich Manuels und Quants Hände los, doch die Schampheromone riechen sie so oder so, in der eisigen Luft breitet sich der chemische Beweis meiner Verlegenheit unaufhaltsam aus. Wie zuvor bemühe ich mich, meinen angestammten Platz im Konsens des Pods einzunehmen, ein unverzichtbarer Teil des Ganzen zu werden. Ich muss mich konzentrieren. Gemeinsam sind wir unschlagbar.
    Chemische Gedanken kreisen zwischen uns, im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn – Vorschläge, Listen, spontane Einfälle. An meiner üblichen Position zwischen Moira und Quant versuche ich, einen sinnvollen Beitrag zu leisten. In dieser Reihenfolge können wir am besten denken, aber manchmal stellen wir uns anders auf, dann nehme ich Manuels Hand oder Moiras und Medas Hände, um den Prozess in eine andere Richtung zu lenken. Ab und zu hilft uns das weiter.
    Ich fühle mich wie ein bloßes Verbindungsstück, während die Ideen der anderen an mir vorüberschwirren. Manchen ist eingeprägt, von wem sie stammen. So weiß ich, dass Quant die sinkende Temperatur und steigende Windgeschwindigkeit registriert hat, was uns veranlasst, die Priorität von Unterschlupf und Feuer zu erhöhen. Allmählich bildet sich ein Konsens heraus.
    Vor Einbruch der Dunkelheit müssen wir das Zelt aufbauen und Feuer machen. Wir müssen etwas essen, wir müssen eine Latrine graben. Die Liste wandert vom einen zum anderen, eine Entscheidung nach der anderen wird getroffen. Mir geht das alles viel zu schnell, über manches werde ich mir nicht so rasch klar. Aber ich tue, was ich kann, und ansonsten vertraue ich dem Pod. Der Pod und ich, wir sind ein und dasselbe.
    Da wir die Handschuhe ausgezogen haben, um besser denken zu können, frieren wir an den Händen. Hier in den Rocky Mountains ist es so kalt, dass sich unsere Gefühle – die Pheromone, die unsere chemischen Gedanken verstärken – in Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, doch manchmal vertreibt der Wind eine Emotion, ehe wir sie richtig erfassen können. Und wenn wir die Handschuhe über die Handgelenke und die Anoraks über die Nasen und Halsdrüsen ziehen, können wir nicht mehr klar denken. Dann ist es fast so, als wären wir allein – bis wir eine untergeordnete Aufgabe erledigt haben, die Handschuhe ausziehen und uns zu einem schnellen Konsens vereinigen.
    »Strom, geh Feuerholz sammeln«, erinnert mich Moira.
    Wo breite Schultern gefragt sind, bin ich zuständig. Ich entferne mich einen Schritt von der Gruppe, und plötzlich bin ich wirklich allein. Keine Berührung mehr, kein Geruch. Einsamkeit will geübt sein. Natürlich wurden wir allein geboren, doch unsere ganze Kindheit und Jugend über, vom Ersten bis zum Vierten Stadium, haben wir uns bemüht, ein kollektives Wesen zu bilden. Und jetzt üben wir uns wieder im Alleinsein, denn auch das ist eine wichtige Fähigkeit. Ich werfe einen schnellen Blick zurück auf die anderen vier: Quant nimmt Moiras Hand und schickt ihr einen Gedanken, sie vertraut ihr etwas an, und ich spüre einen Stich der Eifersucht. Aber warum habe ich solche Angst? Wenn es etwas Wichtiges war, werde ich es später, im nächsten Konsens, sowieso erfahren. Aber jetzt muss ich alleine weiter.
    Als Lagerplatz haben wir uns eine mehr oder weniger flache Stelle in einem kümmerlichen Wäldchen windgekrümmter Kiefern ausgesucht. Unter uns fällt der steinige Hang sanft ab und bildet eine flache, V-förmige Schlucht, in der sich Wind und Schnee fangen, begrenzt von einem steilen, felsigen Abhang. Darunter muss das lang gezogene Tal liegen, das wir vom Aircar aus gesehen haben, eine breite Senke voller Bäume und Schneeverwehungen. Über uns erhebt sich eine schroffe, von massiven Schnee- und Eisformationen gekrönte Felswand. Der Gipfel ist von hier aus nicht zu erkennen, dafür sind wir noch viel zu tief. Die weißen Seiten der gezackten Bergketten, die sich zu beiden Seiten erstrecken, glänzen in der
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