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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06
Autoren: Stephen R. Donaldson
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aufgeschreckt.«
    Linden verstand seine Aufgewühltheit, seinen Zorn. Sie jedoch hatte ihre Krise bereits überwunden. »Sie waren wie Joan«, sagte sie, ohne sich Berenford zuzuwenden. »Sie haben sich selbst verabscheut ... ihr Leben, ihre Armut, ihre Hilflosigkeit.« Wie meine Eltern. »Dadurch sind sie so abwegig geworden.« Sie empfand schmerzliches Mitleid für die Menschen, die Covenant all das angetan hatten.
    »Wahrscheinlich.« Dr. Berenford seufzte. »Wäre nicht das erste Mal, daß so was vorkommt.« Dann berichtete er weiter. »Jedenfalls, ich habe Mrs. Jason in der Notaufnahme abgeliefert und bin zum Sheriff gefahren. Man kann nicht behaupten, daß er mir ohne weiteres geglaubt hat, aber er ist zur Haven Farm mitgekommen. Dort haben wir Joan gefunden. Sie hat in Covenants Haus geschlafen. Als wir sie geweckt haben, konnte sie sich an nichts erinnern. Aber sie hat den Eindruck gemacht, als wäre sie wieder einigermaßen normal im Kopf. Genaues habe ich nicht feststellen können. Auf jeden Fall zeigte sie keine Neigung mehr zur Gewalttätigkeit. Ich habe den Sheriff gebeten, sie in die Klinik zu bringen.« Nochmals mußte er kräftig schlucken, um seine Erbitterung zu meistem. »Ich wollte nicht, daß er mich begleitet. Mir war daran gelegen, daß er nicht den Eindruck gewinnt, Sie könnten für diese Ereignisse verantwortlich sein.«
    Als sie das hörte, schaute Linden ihn verblüfft an. Seine Besorgtheit um sie – sein Wunsch, ihr die Konsequenzen der Schlußfolgerungen zu ersparen, die der Sheriff möglicherweise gezogen hätte, wäre sie von ihm allein mit Covenants Leichnam angetroffen worden – öffnete in ihr den Quell von etwas Neuem; und es ging in ihr auf, als erblühe es. Berenfords Miene war unter der Belastung seiner Fassungslosigkeit und Sorge erschlafft; er wirkte, als bereite es ihm Unbehagen, Lindens Blicke zu erwidern. Aber er war ein guter Mensch; und während Linden ihn musterte, erkannte sie mit aller Klarheit, Covenants Geist war nicht tot. Ohne es zu ahnen, wies Berenford ihr den wahren Weg, Lebewohl zu sagen.
    Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Machen Sie sich keine Vorwürfe«, meinte sie unterdrückt. »Sie konnten nicht voraussehen, was passieren würde. Und er hat das geschafft, woran ihm am meisten lag. Er hat seine Schuld abgetragen.« Dann stützte sie sich auf Berenford, um sich aufzurichten. In ihrer Müdigkeit fühlte der Sonnenschein sich warm und freundlich an. Oberhalb der kahlen Abhänge der Geländemulde standen ins frische Grün des Frühlings gehüllte Bäume, strotzten von Lebenskraft, erhaben und klar. Auch in dieser Welt gab es Gesundes, dem es zu dienen, gab es Wunden, die es zu heilen galt. »Kommen Sie!« sagte Linden, als der Arzt sich ebenfalls erhob. »Wir haben zu tun. Mrs. Jason und ihre Kinder waren nicht die einzigen Beteiligten. Es dürften noch eine Menge anderer verbrannter Hände zu behandeln sein.«
    Nach einem Moment nickte Dr. Berenford. »Ich werde dem Sheriff Bescheid geben, wo er ihn finden kann. Wir können wenigstens dafür sorgen, daß er ein anständiges Begräbnis erhält.«
    »Ja«, antwortete Linden. Die Sonne erfüllte ihre Augen mit Glanz. Gemeinsam stiegen sie und Berenford den öden Abhang zu den Bäumen hinauf.
    Mit ihrer rechten Hand hielt Linden Avery ihren Ehering in festem Griff.
     
     
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