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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
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eher eine Platte als ein Stein, mehr als einen Meter lang, einen knappen Meter breit, aus massivem Basalt und wohl ungeheuer schwer. Erst nachdem sie die fünfte Brechstange untergeschoben hatten, gelang es den Soldaten, sie anzuheben und wegzukippen. Dann zogen zwei von ihnen den zerschmetterten Kameraden aus dem Sand, legten den Leichnam, froh darüber, daß seine Uniform ihn noch zusammenhielt, auf eine Holztrage und schafften ihn fort.
    Der Basalt, der nun auf der anderen Seite lag, blieb eine Weile unbeachtet, bis einer der Soldaten einen Blick auf ihn warf und einen überraschten Schrei ausstieß. »Herr Leutnant!« rief er. »Sehen Sie sich das doch mal an!«
    Die anderen unterbrachen ihre Arbeit und umringten die schwarze Platte, die über und über mit Schriftzeichen bedeckt war. »Heilige Maria«, murmelte einer und bekreuzigte sich. Bouchard kam mißmutig herangeschlendert, betrachtete die Inschriften und schien plötzlich sehr aufgeregt.
    Der Ingenieurleutnant war ein gebildeter Mann, nicht nur was Fragen von Fortifikation und Bauhandwerk betraf, sondern er verfügte auch über solide altsprachliche Kenntnisse. Nach wenigen prüfenden Blicken hatte er begriffen, daß hier ein außergewöhnlicher Fund vorlag. Der Stein oder besser: die Stele – denn um eine solche handelte es sich zweifellos, obgleich sie arg ramponiert und ihr oberer Teil weggebrochen war – trug drei alte Inschriften.
    »Dieser Stein muß sofort zur ägyptischen Kommission. Die werden Augen machen«, rief Bouchard. »Los, ihr da, faßt an, wir müssen ihn auf der Stelle verladen. Und ihr anderen sucht, ob ihr unter den Trümmern noch den Rest findet, der an der oberen Kante fehlt. Es müssen Hieroglyphen darauf stehen, versteht ihr? Hieroglyphen – eine Bilderschrift, so wie hier oben auf dem Stein!«
    Die Männer zögerten und blickten ihren aufgeregten Führer fragend an.
    »Ja, was glotzt ihr so blöde?« fuhr Bouchard sie an. »Wißt ihr Schafsköpfe eigentlich, was ihr hier vor euch habt? Nein? Dann will ich es euch sagen: Das ist eine sogenannte Bilingue, eine zweisprachige Inschrift, in diesem Fall offenbar sogar eine dreisprachige. Ein Dreisprachenstein! Das hier unten ist griechisch, versteht ihr? Das kann man heute noch verstehen, das könnte ich sogar lesen, allerdings bräuchte ich etwas Zeit dafür, denn der Text ist ohne Raum zwischen den einzelnen Worten geschrieben. Und das in der Mitte, das könnte Syrisch sein. Nun stellt euch vor, wenn das einmal eine Stele gewesen ist, die irgendwo stand und eine wichtige Botschaft an die Vorübergehenden enthielt, dann könnte in allen drei Texten dasselbe stehen! Ich vermute, daß in allen drei Texten dasselbe steht. Wißt ihr, was das bedeutet?«
    »Nein, Herr Leutnant.«
    »Ach, ihr ungebildeten Kerle! Los, ladet den Stein auf,aber vorsichtig, damit die Schrift nicht noch mehr zerstört wird. Er muß sofort zur Gelehrtenkommission nach Kairo! Das ist vielleicht der Schlüssel zu allen Geheimnissen des alten Ägypten! Der Schlüssel zur Entzifferung einer Schrift, die seit Jahrtausenden kein Mensch mehr gelesen hat, der heiligen Zeichen des alten Ägypten – der Hieroglyphen!«

Erster Teil
DER DREISPRACHENSTEIN

1
    »Jean-François!«
    Durch das ehrwürdige Haus in der Rue de la Bodousquerie hallte die Stimme eines jungen Mannes. »Jean-François, wo steckst du?«
    Jacques-Joseph Champollion, inzwischen ein schlanker, feingliedriger junger Mann von 21 Jahren, war soeben, eine Zeitung unter dem Arm, aus der Stadt heimgekehrt und stürmte die Treppe zum ersten Stock empor. »Jean-François!«
    »Hier bin ich«, rief es aus dem Kaminzimmer im Erdgeschoß. »Was gibt es denn?«
    Jacques-Joseph war bereits wieder am Fuße der Treppe angelangt, wedelte mit der Zeitung und riß dabei seinen achtjährigen Bruder fast um. »Das mußt du lesen! Der ›Courrier d’Egypte‹, das Mitteilungsblatt der französischen Kommission in Kairo.«
    »Ist etwas passiert? Hat man Bonaparte ermordet?«
    »Nein. Hier, es steht gleich auf der ersten Seite: Unsere Truppen haben bei Bauarbeiten in einem kleinen Ort im Nildelta – er heißt Rosette – einen Dreisprachenstein gefunden.«
    »Einen – was?«
    »Eine alte Stele aus der Pharaonenzeit. Setz dich und lies!«
    Die Brüder ließen sich am Fuß der Treppe nieder.
    »Der Stein – oder die Stele – trägt drei Inschriften«, erklärte der Ältere, »und aus der dritten geht hervor, daß in allen dreien derselbe Text steht. Sie ist in
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