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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
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des Jahres 1799 war ein Trupp französischer Soldaten damit beschäftigt, Steine aus den zerfallenden Festungsanlagen im Norden des ägyptischen Städtchens Raschid zu brechen, das die Europäer Rosette nannten. Der Flecken lag im westlichen Nildelta, dreißig Meilen von Alexandria entfernt, inmitten eines Waldes von Dattel-, Feigen- und Maulbeerbäumen. Seine Bewohner hatten die Gewohnheit angenommen, aus den Steinen verlassener, allmählich einstürzender Gebäude in deren unmittelbarer Nähe neue Häuser zu errichten, die allerdings auch nicht sonderlich lange hielten. Nun verfuhren die vor kurzem eingerückten französischen Besatzer in derselben Art mit den Verteidigungsbauten.
    Die Männer in den blauen Uniformen, die der alten Mauer mit Spitzhacken und Brechstangen zu Leibe rückten, hatten ihre Zweispitze abgesetzt und die Köpfe zum Schutz gegen die stechende Sonne mit Tüchern umwickelt. Nach dem Städtchen hin sicherten Posten die Arbeitenden gegen ÜberfälleEinheimischer, die es auf die zu kleinen Pyramiden zusammengestellten Gewehre oder die Proviantfässer abgesehen haben mochten, aber Rosette lag in der brütenden Nachmittagshitze wie ausgestorben, so daß die einzige Aufgabe der Wächter darin bestand, die in Scharen herumstreunenden Hunde mit Steinwürfen zu vertreiben.
    Den Trupp befehligte ein Ingenieurleutnant namens Xavier Bouchard. Die Soldaten hatten den Auftrag, eine Außenmauer der aus dem frühen 16. Jahrhundert stammenden Befestigung niederzureißen. Hier sollte das Fort Saint Julien entstehen, von dem aus die Franzosen den Schiffsverkehr auf dem bolbitischen Arm des Nils zu kontrollieren und vorbeiziehende Karawanen vor Beduinenüberfällen zu schützen gedachten.
    Unter einer Palmengruppe am anderen Ufer des Nilarmes hielt ein Zug Beduinen und beobachtete die Fremden, die hier so unverhofft eingefallen waren und das bis dato als unbesiegbar geltende Heer der Mamelucken, der Herrscherkaste Ägyptens, in einer einzigen Schlacht zusammenkartätscht und niedergemetzelt hatten. Einer der Beduinen feuerte sein Gewehr in die Luft ab und drohte, unter dem Gelächter seiner Kameraden, den Franzosen mit der Faust.
    »Laßt euch nicht provozieren, Männer«, befahl Bouchard und bedeutete einem Posten, er möge die Wüstennomaden im Auge behalten. Dann klatschte er in die Hände. »Weiter geht’s! Bis heute abend will ich von dieser Mauer hier nichts mehr sehen!« Schweigend und schwitzend, von Fliegenschwärmen umtanzt, setzten die Soldaten ihre Arbeit fort. Der Fluß war an dieser Stelle zu breit für einen gezielten Schuß. Mochten die da drüben also ihren Spaß haben.
    Die alte Befestigungsmauer, an der sich das Abrißkommando zu schaffen machte, bestand größtenteils aus Sandsteinblöcken unterschiedlichsten Ausmaßes, die ohne jedes System, aber recht geschickt aufeinandergetürmt worden waren. Manche der Quader mußten aus Ruinen jenes Urvolkes der Pharaonen stammen, das hier vor undenkbaren Zeiten gigantische Pyramiden, Tempel, Obeliske und Sphinxe in den Wüstensand gebaut hatte, denn auf ihnen fanden sichnoch Reste von Zeichnungen und hieroglyphischen Inschriften. Die Abergläubischen unter den Blauröcken betrachteten sie mit frommer Scheu.
    »Heda, Vorsicht!« rief plötzlich einer der Soldaten, und unter Getöse stürzte ein gut zweieinhalb Meter hohes Mauersegment in sich zusammen, wobei die hellen Sandsteinquader von einem hinter ihnen verbauten, offenbar deutlich schwereren schwarzen Block beiseite geschoben wurden. Die Warnung kam zu spät; der schwarze Stein erfaßte einen der Arbeiter, in das Poltern mischte sich ein gellender Schrei, und als der Block auf einer der beiden größeren Seiten liegen blieb, hatte er den Mann unter sich begraben. Nur Kopf, Arme und Stiefel schauten hervor; Blut und Eingeweide quollen aus seinem Mund. Der Leichnam mit dem zentnerschweren Stein auf dem Rücken sah aus wie eine riesige Schildkröte, die sich übergeben hatte.
    »Scheiße!« brüllte Bouchard, der herbeigestürzt kam und erkannte, daß hier nichts mehr zu machen war. »Hättet ihr nicht aufpassen können? – Na, wenigstens war er gleich tot und hat nicht leiden müssen.«
    Er wollte seinen Zweispitz abnehmen, aber er hatte ja keinen auf; da zog er statt dessen das Tuch vom Kopf. Die umstehenden Soldaten taten es ihm gleich. Bouchard schwieg einige Sekunden, dann befahl er: »Los, wälzt den Stein von ihm, und seht zu, daß ihr den Mann begrabt, und dann weiter an die Arbeit!«
    Es war
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