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Der Präsident

Der Präsident

Titel: Der Präsident
Autoren: David Baldacci
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mitgenommen oder wieder an seinen Platz gelegt. Außer der Fernbedienung hatte er nichts berührt, und die hatte er genau in Übereinstimmung mit dem Staubmuster zurückgelegt. Jetzt vernahm er nur drei Stimmen, einen Mann und zwei Frauen. Eine der Frauen klang betrunken, die andere durch und durch geschäftsmäßig. Dann verschwand Ms. Geschäftsmäßig, die Tür wurde geschlossen, aber nicht abgesperrt, und Ms. Betrunken und der Mann blieben allein zurück. Wo waren die anderen? Wohin war Ms. Geschäftsmäßig verschwunden? Das Kichern ging weiter. Schritte näherten sich dem Spiegel. Luther drückte sich, so tief er konnte, in die Ecke und hoffte, dass der Stuhl ihn verdecken würde, wenngleich er wusste, dass dies unmöglich war.
    Dann traf ihn eine Lichtexplosion genau in die Augen. Seine winzige, völlig finstere Welt war so plötzlich von grellem Licht erfüllt, dass es ihm beinahe den Atem verschlug. Hastig blinzelte er, um die Augen der neuen Helligkeit anzupassen; die Pupillen verengten sich in Sekundenschnelle auf Stecknadelgröße. Doch da war nichts außer Licht. Das Licht blieb, aber es gab keine Schreie, keine Gesichter, keine Waffen.
    Schließlich, nachdem eine volle Minute verstrichen war, lugte Luther an dem Stuhl vorbei. Ein neuer Schock traf ihn. Die Tresortür war nicht mehr da! Er starrte direkt in das verfluchte Zimmer. Beinahe wäre er nach hinten umgekippt, konnte sich aber noch fangen. Schlagartig begriff Luther, wozu der Sessel diente.
    Er erkannte die beiden Leute im Raum. Die Frau hatte er heute Nacht schon auf den Fotos gesehen. Es war die zierliche Frau mit der Vorliebe für gewagte Kleider von zweifelhaftem Geschmack.
    Den Mann kannte er aus einem ganz anderen Grund; um den Hausherrn handelte es sich eindeutig nicht. Langsam und verblüfft schüttelte Luther den Kopf und stieß den Atem aus. Seine Hände zitterten, Übelkeit legte sich über ihn. Er kämpfte das Gefühl nieder und schaute in das Zimmer.
    Die Tresortür diente auch als Einwegfenster. Da draußen das Licht eingeschaltet und die kleine Kammer dunkel war, wirkte die Spiegeltür wie ein gigantischer Fernsehbildschirm.
    Dann erblickte er die Halskette der Frau, und die Luft blieb ihm weg. Sein erfahrener Blick schätzte sie auf zweihunderttausend Dollar, vielleicht auch mehr. Und es war die Sorte Klunker, die man normalerweise im Heimtresor verstaute, bevor man zu Bett ging. Schließlich entspannte er sich, als er sah, wie sie das gute Stück abnahm und achtlos auf den Boden warf.
    Seine Angst legte sich soweit, dass er es wagte aufzustehen, zu dem Sessel vorzuschleichen und sich hineinzusetzen. Hier also pflegte der alte Mann zu sitzen und zu beobachten, wie seine zierliche Frau sich mit strammen jungen Burschen, die noch von der großen Freiheit träumten, die Seele aus dem Leib vögelte.
    Luther sah sich um, entspannte sich ein wenig, ließ die Ohren aber gespitzt für jedes Geräusch der anderen Personen im Haus. Aber was konnte er schon machen? In den über dreißig Jahren seiner Laufbahn als Dieb war ihm noch nie etwas Derartiges widerfahren; also beschloss er, das einzig Mögliche zu tun. Obwohl ihn nur zwei Zentimeter Glas vom völligen Untergang trennten, machte er es sich in dem ledergepolsterten Stuhl bequem und wartete.

KAPITEL 2 Drei Blocks vom strahlend weißen Gebäudekomplex des Kapitals der Vereinigten Staaten entfernt, öffnete Jack Graham die Tür zu seiner Wohnung, warf den Mantel auf den Boden und ging schnurstracks zum Kühlschrank. Mit einem Bier in der Hand ließ er sich auf die abgewetzte Couch im Wohnzimmer fallen. Prüfend wanderte sein Blick durch das kleine Zimmer, während er die Flasche ansetzte.
    Es bestand ein ziemlicher Unterschied zu dem Ort, an dem er gerade gewesen war. Er behielt das Bier einen Augenblick im Mund und schluckte es dann hinunter. Die Kiefermuskulatur spannte und lockerte sich. Langsam verflogen die nagenden Zweifel, aber sie würden wiederkommen; das taten sie immer.
    Jack Graham kam von einer weiteren bedeutenden Dinnerparty bei seiner zukünftigen Frau, deren Familie und dem Kreis ihrer gesellschaftlichen und geschäftlichen Bekannten. Menschen auf diesem Niveau hatten anscheinend keine einfachen Freunde, mit denen sie nur herumhingen. Jeder erfüllte eine bestimmte Funktion, wobei das Ganze mehr ergab als die Summe der einzelnen Teile. Zumindest war es so gedacht, wenngleich Jack seine eigene Meinung zu dem Thema hatte.
    Die Industrie- und Finanzwelt war ausgiebig
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