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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe
Autoren: dtv
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sich von ihr hinters Licht führen zu lassen. »Woher weißt du
     das? Hast du mit deinem Vater geredet?«
    Also fürchtete sie, dass ihr etwas entgangen war. Nicolas zögerte. Sollte er sie auf die Folter spannen oder besser an der
     Nase herumführen? Nein, er würde sich nicht auf die üblichen Spielchen einlassen. »Friedrich ist am 18. April gestorben, und
     ich wollte wissen, woran.«
    Seine Mutter wusste es nicht, es interessierte sie nicht, wie Nicolas ihrem gelangweilten Tonfall entnahm, ihr Exmann hatte
     von Herzstillstand berichtet, wie sie sagte. Mehr als ein desinteressiertes »Nein, weiß ich nicht, woher soll ich das wissen,
     du fragst aber Sachen« bekam er nicht zu hören.
    »War er krank?« Nicolas drängte auf eine Antwort, mit der er etwas anfangen konnte. »Hatte er es mit dem Herzen?«
    »Was weiß ich? Habe ihn nie gesehen . . .«
    ». . . das stimmt nicht. Bei meiner Taufe, und wir waren vor zehn Jahren zusammen dort, ich bin dageblieben, in den Sommerferien.
     Du bist dann mit Willbauer weitergereist und hast mich wieder abgeholt.«
    »Meine Güte, du nimmst es aber wieder genau, ich kann mich nicht erinnern.«
    »Das wundert mich ... und du weißt es von Vater?«
    »Der hat weiter nichts gesagt.«
    »Dich interessiert das Ganze nicht, oder?«, warf Nicolas ein.
    »Ehrlich gesagt, nein. Dein Onkel hat uns verachtet. Wir waren für ihn das Establishment, er hat uns den Rücken gekehrt, der
     Stadt, dem ganzen Land. Sodom nannte er Frankfurt, und als sie die Hochhäuser bauten, dein Vater war mit dabei, meinte er,
     wir hätten nichts Besseres verdient.«
    Nicolas grinste, seine Mutter ärgerte sich noch immer. In |20| gewisser Weise gab er Friedrich recht, aber er hütete sich, es durchklingen zu lassen. Er selbst empfand Frankfurt als misslungen,
     konzeptlos, ohne Stil und Linie, da änderten weder der Römer noch die Museumslandschaften am Main etwas daran. Er selbst hatte
     der Stadt zwei Tage nach dem Abitur den Rücken gekehrt – die Entscheidung für Berlin war nach einer Silvesterparty am Brandenburger
     Tor gefallen. Happe und er hatten sich begeistert ins Gewühl geworfen. Es war nicht allzu viel von dem späten Vereinigungsgefühl
     übrig geblieben, zumindest war Berlin immer eine Stadt der Einwanderer gewesen, die es Neuankömmlingen nicht zu schwer machte.
    ». . . ein Chaot war er, hat sich mit der Polizei geprügelt, hier im Westend«, hörte er seine Mutter voller Abscheu sagen,
     »Häuserkampf. Lächerlich, mit diesem ehemaligen grünen Außenminister. Front hat er gemacht gegen die Interessen der eigenen
     Familie. Was uns wichtig war, hat er abgelehnt, was uns heilig war, hat er verachtet. Und da soll ich mich für ihn interessieren?
     Ich weine ihm keine Träne nach. Ein Wunder, dass er nicht bei den Terroristen gelandet ist . . .«
    Heilig? Das Einzige, was dir heilig ist, dachte Nicolas voller Zorn, ist dein Depot bei der Deutschen Bank. Damit versuchten
     sie ihn seit einem Jahrzehnt vergeblich zu ködern. Irgendetwas musste bei ihm falsch gelaufen sein, Geld als Lockmittel kam
     nicht an. Aber mit zu wenig, so wie jetzt, mit dem lausigen Job als technischer Zeichner, war das Leben auch unerfreulich.
    »Was ist für dich eigentlich ein Chaot?«, fragte er. »Ich dachte, du kanntest Friedrich gar nicht? Wie kann man so urteilen
     – oder verurteilen, wenn man jemanden nicht kennt?«
    »Ich . . .«, sie zögerte mit der Antwort, von seiner Frage aus dem Konzept gebracht, »ich habe ihn einige Male erlebt.«
    |21| »Wo und wann?«
    »Dein vorwurfsvoller Ton gefällt mir gar nicht, Nicolas. Du fragst wie der Inquisitor persönlich. Mit dir ist doch was. Du
     hast dich nie für ihn interessiert. Jetzt ist er tot, basta. Irgendwann ist immer Schluss. Wahrscheinlich sein Lebenswandel,
     der Alkohol, er hatte ja das Weingut da in Portugal. Bei labilen Menschen geht das auf Dauer nicht gut.«
    »Ach, labil war er auch?« Um sich nicht weitere Tiraden anhören zu müssen, erzählte Nicolas von Reiseplänen und dass er auf
     seine Anfrage, ob Friedrich zu Hause sei, die Todesnachricht erhalten habe.
    »Du kannst ja mal bei der Kellerei vorbeischauen und sehen, was aus seinem Besitz wird; ziemlich viel Land soll er besessen
     haben, soweit ich weiß, hat er keine Kinder, keinen Erben . . .«
    Darauf lief es bei ihr hinaus, jedes Gespräch, alles drehte sich in ihrer Welt ums Geld. Mit dem Versprechen, sie auf dem
     Laufenden zu halten, konnte er sie abwimmeln und tiefer
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