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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
Autoren: Klester Cavalcanti
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sich einen eigenen Haushalt, eine eigene Familie wünschte, war Júlio immer mehr davon überzeugt, dass er sie zur Frau wollte. Er wollte sie als Mutter seiner Kinder. Die Sonne ging bereits auf, und sie redeten immer noch. Júlio sagte, er müsse nun gehen, weil sein Bus um halb sieben vom Busbahnhof abfuhr. Er umfasste ihre Hände und fragte, ob er sie küssen dürfe. Sie schloss ihre Augen. Ein schneller, nervöser Kuss. Sie küssten sich noch drei, vier Male. Er wollte gerade gehen, als sie ihn zurückrief:
    »Wenn du mich wirklich von hier fortbringen willst, komm wieder, dann können wir reden, und du lernst meinen Großvater kennen.«
    »Das werde ich machen. Du kannst dich darauf verlassen«, antwortete Júlio.
    Noch fünfmal reiste Júlio nach Teresina, nur um das Mädchen zu sehen und das Vertrauen ihres Großvaters zu gewinnen. Die beiden letzten Male erschien er in der Polizeiuniform, die sein Onkel Cícero für ihn gekauft hatte. Mit Zustimmung des Großvaters heirateten sie – mit allen Dokumenten, das hatte der Großvater verlangt – im März 1984. Ohne Feier. Als sie heirateten, war er neunundzwanzig und sie vierundzwanzig.
    Nun, zweiundzwanzig Jahre später, verließen er, seine Frau und die zwei Kinder Porto Franco, wo sie seit der Hochzeit gelebt hatten, um ein neues Leben in einem anderen Bundesstaat zu beginnen. Nun würde er seiner Frau endlich das Glück bieten können, das er ihr versprochen hatte, als sie sich kennenlernten. Genug der Sorgen, die er ihr gemacht hatte, seitdem er ihr unter dem Druck ihres wachsenden Misstrauens gestehen musste, dass er ein Auftragsmörder war, elf Monate nach ihrer Hochzeit. Damals hatte sie drei Tage ununterbrochen geweint, magerte ab, wurde krank und ließ sich nicht mehr von ihm berühren. Sie wollte auf keinen Fall mit einem Mörder schlafen und würde ihn nur nicht verlassen, weil sie schwanger war mit ihrem ersten Sohn – der mit neunzehn Jahren ums Leben kommen sollte –, und auf keinen Fall wollte, dass das Kind dasselbe erlitt wie sie, die sie ohne Vater aufgewachsen war. Sie nahm erst wieder etwas zu sich, als der Arzt sagte, dass sie sonst das Kind verlieren könnte.
    Es brauchte Jahre, bis sich ihr Verhältnis zu Júlio erholt hatte, und es wurde nie wieder so wie am Anfang. Sie hatte sich immer gefreut, wenn er in seiner Polizeiuniform von der Arbeit kam und sich zu ihr ins Bett legte. Zu erfahren, dass alles ein Schwindel war und der Mann, den sie geheiratet hatte, ein Mörder, war ein harter Schlag gewesen. Sie zählte nicht mehr, wie oft sie sich schlafend stellte, wenn sie hörte, dass er nach Hause kam. Wenn Júlio sie zu berühren versuchte, rollte sie sich zusammen. Nicht selten ging er aus dem Zimmer und schlief auf dem Sofa. Aber er zwang sie nicht ein Mal zu etwas, was sie nicht wollte. Er hörte nie auf, ihr zu sagen, dass er sie liebte. Sie sagte, sie könne gar nicht verstehen, wie ein Mann, der so zärtlich zu seiner Frau und seinen Kindern war, jemanden töten könne. Noch dazu für Geld. »Es ist meine Arbeit. Es ist meine Arbeit«, antwortete er jedes Mal, in so ruhigem Ton, dass es sie noch zorniger machte.
    Sie wusste, dass er an seiner verdammten Arbeit litt, und sie hasste es. Aber sie spürte, dass sie ihm Kraft geben musste. So absurd und entsetzlich seine Arbeit auch sein mochte, er war der Vater ihrer Kinder. Júlio sagte meist gar nichts. Saß nur auf einem Stuhl in der Küche, während seine Frau ihm über den Kopf strich und ihn gegen ihre Brust drückte. Ganz selten nur redete er, wie das eine Mal, als er mit belegter Stimme sagte: »Heute habe ich einen Vierzehnjährigen getötet.« Es war das einzige Mal in zweiundzwanzig Jahren Ehe. Sonst sprach er mit niemandem darüber. Nicht einmal mit den Auftraggebern und Vermittlern seiner Dienste. Er war nicht stolz darauf, Mörder zu sein, so sehr man auch seine Erfahrung, Diskretion und Zuverlässigkeit schätzte. Er fragte auch nie nach den Gründen dafür, dass seine Auftraggeber jemandem den Tod wünschten. Kurioserweise schienen ausnahmslos alle, die seine Dienste in Anspruch nahmen, darüber reden zu wollen. Als wollten sie sich rechtfertigen.
    Eine der häufigsten Fragen, die seine Auftraggeber ihm stellten, war, ob er jemals erwischt worden sei. Nie. Darauf war er stolz. Und je mehr seine Frau ihn ermahnte, vorsichtig zu sein, umso öfter wiederholte er, was ihm Cícero damals gesagt hatte: »Hier legt sich die Polizei nicht mit Pistoleiros an.« Doch im Mai
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