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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
Autoren: Klester Cavalcanti
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denn?«
    Amarelo hatte vor zwei Wochen Limas Tochter vergewaltigt, die dreizehnjährige Lúcia.
    »Das hat mir Lima erzählt, als er mir den Auftrag gab, Amarelo zu töten«, sagte Cícero.
    »Mein Gott, wie konnte Amarelo so etwas tun? Lúcia ist so ein nettes Mädchen«, sagte Júlio, der das Kind von der Schule her kannte.
    »Siehst du? Der Kerl verdient es tatsächlich zu sterben. Aber ich kann es nicht machen, Julão. Du musst es tun. Wenn du es nicht tust, werde ich sterben.«
    Bis heute weiß Júlio, was er empfunden hat, an diesem Morgen des 6. August 1971, kurz bevor er einwilligte, Amarelo zu töten. Er weiß noch, dass er jedes Wort sorgsam abwägte und auf keinen Fall das Wort »töten« verwenden wollte. Dann glaubte er, die richtige Formulierung gefunden zu haben:
    »Einverstanden. Ich werde den Auftrag für dich erledigen. Aber bitte mich nie wieder um so etwas«, sagte Júlio niedergeschlagen und ohne den Onkel anzusehen.
    Der stand mühsam auf, trat zwei Schritte vor und kniete sich dann vor Júlio nieder. Er nahm sein Gesicht in seine riesigen Hände und küsste ihn auf die Stirn.
    »Danke Julão. Bitte verzeih mir, dass ich dich da mit hineinziehen muss. Aber du bist der einzige Mensch, der mir helfen kann.«
    »Ist gut, Onkel«, antwortete Júlio, ohne Cícero anzusehen. Dann schaute er wieder hinaus auf das Faultier, das immer noch reglos in seinem Baum hing.
    Der Tag verging langsam. Dona Marina und Seu Jorge wunderten sich, wie still Júlio war. Pedro und Paulo kamen von der Schule zurück und gingen an den Fluss spielen. Normalerweise wäre Júlio mitgekommen. An diesem Tag stieg er erst um vier Uhr nachmittags aus seiner Hängematte und streifte dann durch den Wald. Pedro wollte mitkommen, doch Júlio wollte allein sein. Alle dachten, es sei wegen der Erkrankung des Onkels.
    Am Abend vor seinem ersten Mord aß Júlio nur ein kleines Stück von dem zarten Fleisch, das er am Vortag gejagt hatte, und das auch nur, nachdem seine Mutter ihn überredet hatte. Kurz nach dem Essen legten sich alle schlafen. Doch er bekam kein Auge zu. Er musste immerzu daran denken, wie es wohl wäre, einen Menschen zu töten. So grausam und brutal Amarelo auch sein mochte und so sehr er es auch verdiente, für die Vergewaltigung der kleinen Lúcia bestraft zu werden, so stand dies doch allein Gott zu. So hatte Júlio es von seinen Eltern gelernt. Wer Gott nicht gehorcht, wird bestraft und kommt in die Hölle. Und Júlio wollte weder das eine noch das andere. Der Gedanke verstörte ihn derart, dass er schließlich mit Cícero darüber sprechen musste. Er stand auf und ging leise zu seinem Onkel.
    »Bist du noch wach?«
    »Bin ich. Wer kann denn auch schlafen mit all diesen Schmerzen?«
    »Onkel, ich habe dir ja versprochen, diesen Auftrag für dich zu erledigen. Aber etwas macht mir Sorge.«
    »Was denn, Julão?«
    »Wenn ich das tue«, noch immer vermied er das Wort »töten«, »wird Gott mich strafen. Vielleicht komme ich sogar in die Hölle. Ich will nicht bestraft werden und in die Hölle kommen.«
    Cícero konnte die Bedenken seines Neffen nachempfinden und entgegnete:
    »Julão, ich weiß, dass Töten eine Sünde ist. Es ist auch Sünde, zu lügen oder seinen Eltern nicht zu gehorchen, wie du das tust, wenn du mit mir Cachaça trinkst. In der Kirche sagen sie auch, dass es Sünde ist, was du mit Ritinha machst, bevor ihr verheiratet seid.« Julio schaute zu Boden, und Cícero fuhr fort:
    »Und was machst du, wenn du deinen Eltern nicht gehorcht hast, weil du mit mir Schnaps getrunken hast oder du bei Ritinha warst?«
    »Ich komme nach Hause und bitte Gott um Vergebung«, antwortete Júlio.
    »Genau so. Und was lernen wir in der Kirche? Dass Gott unsere Sünden vergibt, wenn wir ihn darum bitten. Richtig?«
    »Richtig.«
    »Also Julão. Nachdem du Amarelo getötet hast, musst du Gott nur um Vergebung bitten, und Er wird dir vergeben.«
    »Tatsächlich?«, fragte Júlio, die Stirn in Falten.
    »Natürlich! Gott verzeiht alles, Julão, alles.«
    »Ja, davon hat der Pater in der Kirche auch schon gesprochen.«
    »Morgen, wenn du Amarelo getötet hast, kommst du nach Hause und betest zehn Ave-Marias und zwanzig Vaterunser. Damit wird dir vergeben, das verspreche ich.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil ich das auch so mache. Und es klappt immer. Ein Pfarrer aus Imperatriz hat mir das beigebracht. Zehn Ave-Marias und zwanzig Vaterunser erlösen von jeder Sünde. Und jetzt schlaf gut.«
    Júlio schlief ein mit
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