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Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Titel: Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
Autoren: Barry Eisler
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sich im Vorbeigehen einen winzigen, unprofessionellen Moment lang auf ihren Hintern. Das Innere war prachtvoll – wie ein altes britisches Herrenhaus mit einer herrlichen, geschwungenen Mahagonitreppe als Prunkstück –, ohne im Geringsten pompös zu wirken. Sie machte sich auf der Damentoilette frisch, sah sich die Lage der Notausgänge an und ging dann in die Bar.
    Sie war nur halb voll – es war ja noch früh –, aber die Gespräche und das Gelächter und Billie Holiday, die aus einer verborgenen Stereoanlage tönte, sorgten für eine angeregte Atmosphäre. Die Wände waren dunkel getäfelt, und die sanfte Beleuchtung stammte von drei geschmackvollen Kronleuchtern unter einer hohen, üppig verzierten Stuckdecke. Überall standen vornehme Sessel und Sitzkissen in ausgewählten Farben verteilt. An einer klassischen verspiegelten Bar bedienten zwei Angestellte mit Krawatten und Westen und mixten mit unauffälligem Geschick Cocktails. Sie glaubte, den Duft von Süßgras zu spüren. Die Atmosphäre war ausgesprochen angenehm – elegant, spielerisch und teuer. All das ließ sie einen plötzlichen Stich von Trauer und Schuld fühlen. Es war ein Ort, wie John ihn liebte, und sie hätte ihn ihm sehr gern gezeigt.
    In der hintersten Ecke saß ein gut aussehender Mann mit dem Rücken zur Wand, den Eingang voll im Blick. Um die vierzig, schätzte sie, obwohl das Licht schlecht war und sie zehn Meter entfernt stand, mit kurzen schwarzen Haaren und einem Gesicht, das aristokratisch hätte wirken können, wäre da nicht das etwas kantige Kinn gewesen. Er trug einen anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, der wie für ihn gemacht schien – wörtlich und im übertragenen Sinn. In einer Hand hielt er lässig ein Martiniglas, und sein vager Blick war auf nichts Bestimmtes gerichtet. Sie war selten jemandem begegnet, der in einer hochklassigen Bar so zu Hause wirkte, und musste sich eingestehen, dass sie sein gelassenes Selbstvertrauen attraktiv fand. Der taktisch gewählte Sitzplatz und die Aura von Autorität ließen sie ziemlich sicher sein, dass es sich um ihren Kontaktmann handelte. Darüber war sie froh – sie hatte schon fast mit etwas Vergleichbarem wie dem Direktor und seinen zwei Stellvertretern gerechnet.
    Sie ging auf seinen Tisch zu und winkte ab, als ein Angestellter sie zu einem eigenen geleiten wollte. Der Mann sah sie an, und seine Augenbrauen hoben sich leicht. Sie bemerkte eine Ausgabe des Granta auf seinem Tisch, das vereinbarte Erkennungszeichen.
    »Verzeihen Sie«, sagte Delilah, als sie ihn erreicht hatte. »Gibt es hier in der Nähe eine Steckdose? Ich muss mein Handy aufladen.«
    Das war ihre Hälfte der Parole. Der Mann lächelte und sagte mit dem Akzent der britischen Oberklasse: »Ich weiß es nicht, aber Sie dürfen gerne nachsehen, wenn Sie wollen.«
    Das brachte sie kurz aus der Fassung – sie war so sicher gewesen, doch es war nicht die richtige Antwort. Sie schüttelte die Verwirrung ab und meinte: »Danke. Ich denke, ein bisschen Saft ist noch drin, aber ich komme wieder, falls ich mich irre.«
    Sie wollte sich abwenden. Der Mann lachte leise und sagte: »Nur ein Scherz. Ist es ein iPhone? Ich bräuchte auch eine frische Ladung.«
    Das war die vereinbarte Antwort. Sie machte wieder kehrt und musterte ihn leicht verärgert, weil er den Austausch einer Parole in einen Scherz verwandelt hatte und sich offensichtlich auch noch darüber amüsierte.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragte er und wies auf den Sessel neben sich. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«
    Sie sah ihn noch einen Moment länger an, dann ließ sie sich in den üppigen Sessel sinken. »Ich kann mir selbst einen Drink kaufen.«
    Seine Augen blitzten belustigt. »Ich wollte nicht andeuten, dass Sie das nicht könnten. Es war nur ein Versuch, gastfreundlich zu sein.«
    »Aber natürlich.«
    »Hören Sie, ich bitte um Verzeihung. Manchmal lassen sich die Jungs im Büro ein wenig zu sehr hinreißen von ihren geheimen Handschlägen und all dem. Wirklich, manchmal wird es einem zu viel. Ich wusste in dem Moment, als Sie eintraten, dass Sie mein Mädchen sind.«
    Sie stellte fest, dass die Akustik sich perfekt für eine diskrete Unterhaltung eignete. Die Musik war gerade laut und dominierend genug, um die Gespräche an den Nebentischen zu übertönen, aber nicht so, dass man die Stimme erheben musste.
    »Ach ja?«, sagte sie und beschloss, fürs Erste das herablassende »mein Mädchen« zu überhören.
    »Ja, natürlich. Man
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