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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller
Autoren: Aufbau
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Volkskommissare, die erste Regierung der Sowjets, schickte ihn nach Transbaikalien, wo er helfen sollte, die neue Ordnung zu errichten. Von nun an ging es mit ihm steil bergauf. In Moskau akzeptierten ihn die Russen, weil er der rebellische Spross einer Adelsfamilie war, der für das Volk eintrat. Und in Transbaikalien ging er als Junge aus der Gegend durch, der es zu etwas gebracht hatte. Der einstige Nachteil, die gemischte Herkunft, wurde nun sein Ticket zur Macht.
    Während des ganzen Bürgerkrieges ist er in Transbaikalien Moskaus Nummer eins. Mit Lenin, Trotzki und Sinowjew spricht er über ein Reich, das nicht nur Sibirien umfassen soll – eine Volksrepublik bis hin zu den Küsten des Pazifiks. China, die Mongolei, die Mandschurei und Tibet könnten dazugehören. Die Bolschewiken sehen, dass Europa einhoffnungsloser Fall ist und es für die nächsten fünfzig oder gar hundert Jahre auch bleiben wird. Aber sie wollen träumen. So träumen sie eben vom Osten. Und da steht Samjatin bereit wie ein Hypnotiseur und flüstert ihnen ein, dass er ihren Traum wahrmachen kann.«
    Winterpole hielt einen Moment inne und starrte in die Dunkelheit hinter den Autoscheiben hinaus, als könnte er sehen, wie sich dort eine zweite Finsternis zusammenbraute, die geduldig wartete, bis ihre Zeit kam. Er erschauerte.
    »Vor etwa einem Jahr«, fuhr er fort, »ist Samjatin verschwunden. Ständig schickten mir meine Leute Berichte darüber, was er tat. Plötzlich war er weg. Anfangs wollte man ihn hier und da noch gesehen haben, aber stets stellte es sich als Irrtum heraus. Die inneren Säuberungen hatten bereits begonnen, daher glaubte ich zunächst, er sei ein Opfer seiner vormaligen Freunde im Kreml geworden. Der kommende Mann in Russland ist Stalin, und der will den Sozialismus in seinem Lande aufbauen. Vielleicht hatte man Samjatin geopfert, damit andere nicht zu sehr von der Weltrevolution träumten.
    Aber die Zeit verging, und Samjatins Name tauchte nirgendwo auf. Da wusste ich, dass er noch am Leben sein musste. Sie prangern ihre Opfer öffentlich an, denn es nützt ihnen nichts, sie nur bei Nacht und Nebel umzubringen. Ihr Tod ist eine Art Sühne, und ihre Sünden müssen öffentlich gebrandmarkt werden. Zur Abschreckung für andere.
    Plötzlich, vor vier Monaten, ist er eindeutig wieder gesichtet worden. Darauf kann ich mich verlassen, denn die Nachricht kam von einem meiner besten Leute.« Winterpole stockte einen Augenblick. »Er hielt sich in Westtibet beim Berg Kailash in der Nähe eines Klosters namens Phensung Gompa auf. Er war allein und schien bereits längere Zeit unterwegs zu sein. In Tibet, Christopher. Nikolai Samjatin.Zuerst wollte ich es gar nicht glauben. Aber mein Mann hat Fotos gemacht. Darauf ist er zweifelsfrei zu erkennen. Er ist dort gewesen. Können Sie mir folgen?«
    Christopher nickte. Was Winterpole da sagte, ergab einen Sinn. Tibet hatte zu Christophers Bereich gehört, es war eines seiner Spezialgebiete gewesen. Der Agent, der die Fotos geschickt hatte, konnte durchaus von ihm angeworben und ausgebildet worden sein. Er folgte Winterpoles Blick in die Dunkelheit hinaus. Mehr als zuvor spürte er, dass die Strömung ihn nach unten zog. Nur noch seine schmalen Hände ragten aus dem Wasser, er schmeckte Salz auf seinen Lippen und spürte den scharfen Wind vom Land, der ihn aufs offene Meer hinaustrieb.
    »Sie waren doch 1912 am Kailash, nicht wahr, Christopher?«, stellte Winterpole fest.
    »Ja«, kam es dumpf von Christopher.
    »Was haben Sie dort gemacht?«
    »Ich habe nach Agenten gesucht. Nach russischen Agenten. Wir hatten einen zuverlässigen Bericht erhalten. Dem sollte ich nachgehen.«
    »Und was haben Sie herausbekommen?«
    Christopher zuckte die Schultern.
    »Nichts«, erwiderte er. »Ich habe mich einen Monat lang am Kailash und in der Gegend um den See Mansarowar herumgetrieben. Die Landschaft ist den Tibetern heilig. Ich habe mehrere Klöster besucht und mit Pilgern gesprochen. Wenn Russen dort waren, dann müssen sie unsichtbar gewesen sein.«
    Er sah, dass Winterpole den Kopf schüttelte.
    »Nicht unsichtbar«, sagte er. »Tot.«
    Christopher wurde plötzlich bewusst, dass er mit einer Hand den Griff der Autotür auf seiner Seite umklammerte. Ertrinkende lassen nicht los, das ist eine unwiderlegbareTatsache. Seine Finger krampften sich fest um das kalte Metall.
    »Es waren zwei«, fuhr Winterpole fort. »Maiski und Skrypnik. Maiski war Jude, der Sohn eines Uhrmachers aus einem Schtetl.
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