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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
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vielen Universitäten erschwert oder gänzlich verhindert wurde. Auch hier herrschten natürlich das unvermeidliche Politisieren und der entsprechende Klatsch, aber das Ausmaß war geringer als auf den normalen Hochschulen und Universitäten. Es war ein Institut für fortgeschrittene Studien – nicht so absonderlich und behäbig und dafür vielleicht energievoller, und auf jeden Fall gab es hier viel mehr Platz. Lewis hatte es einmal Mandelbaum gegenüber als Beweis für die kulturelle Notwendigkeit einer priviligierten Klasse zitiert.
    Corinth nickte dem Mädchen im Zeitungsstand in der Eingangshalle zu, winkte einigen Bekannten und ärgerte sich über die Langweiligkeit des Aufzugs. „Siebter Stock“, sagte er automatisch, als er eintrat.
    „Allmählich müßte ich das wohl wissen, Dr. Corinth.“ Der Fahrstuhlführer grinste. „Sie sind jetzt – warten Sie – fast sechs Jahre hier, nicht wahr?“
    Der Physiker blinzelte. Der Fahrstuhlführer war für ihn stets ein Teil der Maschinerie gewesen; sie hatten die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht, ohne sich etwas dabei zu denken. Plötzlich sah ihn Corinth nun als menschliches Wesen, als einen lebenden und einmaligen Organismus, Teil eines riesigen, un-persönlichen Netzes, das im Grunde das ganze Universum war, und doch bewahrte er seine eigene Individualität. Warum, fragte er sich verblüfft, denke ich jetzt so etwas?
    „Wissen Sie, Sir“, fuhr der Mann fort, „ich habe mir Gedanken gemacht. Ich bin heute morgen aufgewacht und habe mich gefragt, warum ich das hier tue und ob ich nicht mehr davon erwarte als mein Auskommen und meine Pension und …“ Er verstummte verlegen, als der Lift im dritten Stock hielt, um einen Mitfahrer aussteigen zu lassen. „Ich beneide Sie. Sie haben ein Ziel vor Augen.“
    Der Aufzug erreichte die siebte Etage. „Sie könnten … nun, Sie könnten einen Abendkursus belegen, wenn Sie wollen“, sagte Corinth.
    „Ich glaube, das werde ich tun, Sir. Wenn Sie so freundlich wären und eine Empfehlung … Nun, später. Ich muß jetzt weitermachen.“ Die Türen glitten sanft vor der Kabine zu, und Corinth schritt die glänzenden Marmorkorridore auf sein Laboratorium zu.
    Er hatte einen ständigen, zwei Mitarbeiter starken Stab, Johansson und Grunewald – tüchtige junge Männer, die wahrscheinlich davon träumten, eines Tages über ein eigenes Laboratorium zu verfügen. Sie waren schon da, als er eintrat.
    „Guten Morgen …“
    „Morgen …“
    „Morgen.“
    „Mir ist ein Gedanke gekommen, Pete“, sagte Grunewald plötzlich, als der Chef zu seinem Schreibtisch hinüberging. „Ich habe da eine Idee für einen Schaltkreis, der vielleicht funktioniert.“
    „Et tu, Brute“, murmelte Corinth. Er ließ sich auf einen Stuhl nieder und überkreuzte seine langen Beine darunter. „Raus damit.“
    Grunewalds Kniff schien seinem eigenen bemerkenswert ähnlich zu sein. Johansson, der gewöhnlich schweigsam und kompetent, aber nicht mehr war, schaltete sich eifrig ein, als neue Gedanken in ihm aufbrodelten. Corinth übernahm die Leitung der Diskussion, und eine halbe Stunde später bedeckten sie Bogen auf Bogen mit den esoterischen Symbolen der Elektronik.
    Rossman war möglicherweise bei der Einrichtung des Instituts nicht völlig selbstlos gewesen, obwohl ein Mann mit seinem Bankkonto sich Altruismus leisten konnte. Auch die reine Grundlagenforschung diente der Wirtschaft. Er hatte sein Vermögen mit Leichtmetallen gemacht, vom rohen Erz bis zu fertigen Produkten und einem runden Dutzend Querverbindungen zu anderen Geschäften; offiziell fast zurückgezogen, hielt er die Zügel weiter fest in seinen schmalgliedrigen Händen. Selbst bakteriologische Forschung konnte sich als nützlich erweisen. Vor gar nicht so langer Zeit hatte man an der bakteriellen Extraktion von Öl aus Schiefer gearbeitet, und Corinths Untersuchung der Resonanzverbindungen in Kristallstrukturen konnte beträchtliche Auswirkungen auf die Metallurgie haben. Grunewald stellte sich schon jetzt begeistert vor, was diese Tatsache für ihren wissenschaftlichen Ruf bedeuten würde. Vor dem Mittagessen hatten sie bereits eine ganze Anzahl von Differentialgleichungen aufgestellt, die sie dem Computer eingeben wollten, sobald er wieder zu ihrer Verfügung stand.
    Dann klingelte das Telefon. Es war Lewis, der vorschlug, sie sollten miteinander essen gehen. „Ich bin heute einer heißen Sache auf der Spur“, antwortete Corinth ausweichend. „Vielleicht lasse ich
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