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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
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Luder, wird eine ihrer Schaltungen durchbrennen lassen. Aber du wirst alles wieder ins Lot bringen.“
    „Hybris, Nemesis, Ate.“ Ein winziges Runzeln zog über ihre breite, klare Stirn. „Du hast diese Wörter schon öfter benutzt, Pete. Was bedeuten sie?“
    Er blinzelte sie an. Zwei Jahre nach der Heirat liebte er seine Frau noch immer sehr, und als sie jetzt so dastand, überwältigte ihn sein Glück. Sie war sanft, vergnügt und bildschön, und sie konnte kochen – aber sie hatte nichts von einer Intellektuellen, und wenn seine Freunde herüberkamen, setzte sie sich schweigend zurück und beteiligte sich nicht an der Unterhaltung. „Warum interessiert dich das?“ fragte er.
    „Ich war einfach nur neugierig“, erwiderte sie.
    Er ging ins Schlafzimmer und begann sich anzuziehen. Er ließ die Tür offen, damit er ihr die Grundlagen der griechischen Tragödie erklären konnte. Es war ein viel zu heller, freundlicher Morgen, um bei einem derart nüchternen Thema zu verweilen, aber sie hörte bis auf gelegentliche Zwischenfragen aufmerksam zu. Als er herauskam, lächelte sie und ging auf ihn zu.
    „Du lieber, unbeholfener Physiker“, sagte sie. „Du bist der einzige Mann, den ich kenne, der einen Anzug, der frisch aus der Reinigung kommt, anzieht und so aussieht, als hätte er darin ein Auto repariert.“ Sie rückte seine Krawatte zurecht und zog die zerknitterte Jacke nach unten. Seine Hand fuhr durch sein schwarzes Haar, das sofort wieder völlig ungekämmt aussah, und folgte ihr zum Küchentisch. Dampf Schwaden aus der Kaffeekanne ließen die Gläser seiner Hornbrille beschlagen; er nahm sie ab und polierte sie mit seiner Krawatte. Sein mageres, hakennasiges Gesicht sah ohne die Brille ganz anders aus – jünger, vielleicht nur 33 Jahre alt, was sein wirkliches Alter war.
    „Es fiel mir genau in dem Moment ein, als ich aufwachte“, sagte er und bestrich seinen Toast mit Butter. „Ich muß also über ein gut geschultes Unterbewußtsein verfügen.“
    „Du meinst die Lösung deines Problems?“ fragte Sheila.
    Er nickte, zu sehr in Gedanken versunken, um sich mit ihrer Frage näher zu beschäftigen. Gewöhnlich ließ sie ihn ruhig reden und sagte ja oder nein an den richtigen Stellen, ohne jedoch eigentlich zuzuhören. Sie verstand nicht das geringste von seiner Arbeit. Er glaubte oft, daß sie in einer Art Kinderwelt lebte, die nicht sehr komplex, aber in allen Punkten hell und freundlich war.
    „Ich versuche seit einiger Zeit, einen Phasenanalysator für intermolekulare Resonanzverbindungen in Kristallstrukturen zu konstruieren“, sagte er. „Aber das ist nicht so wichtig. Die Sache ist folgende: In den vergangenen paar Wochen habe ich versucht, eine Schaltung zu entwickeln, die meinen Vorstellungen entspricht, und es klappte nicht. Und jetzt wache ich diesen Morgen mit einer Idee auf, die funktionieren könnte. Mal sehen …“ Seine Augen blickten durch sie hindurch, und er aß, ohne sich des Geschmacks bewußt zu werden. Sheila lachte sehr sanft.
    „Es könnte spät werden, heute abend“, sagte er an der Tür. „Falls meine neue Idee funktioniert, würde ich die Arbeit ungern unterbrechen, bis … der Himmel weiß wann. Ich werde dich anrufen.“
    „Gut, Liebling. Viel Erfolg.“
    Als er gegangen war, stand Sheila noch einen Moment lang da und lächelte ihm nach. Pete war ein … nun, sie hatte einfach Glück gehabt, das war alles. Ihr war nie klar gewesen, wieviel Glück, aber dieser Morgen schien irgendwie anders zu sein. Alle Dinge traten klar und deutlich hervor, als ob sie sich in den westlichen Bergen befände, die ihr Mann so liebte.
    Sie summte leise vor sich hin, als sie das Geschirr spülte und das Apartment aufräumte. Dabei stiegen Bilder aus ihrer Vergangenheit in ihr auf: ihre Kinderzeit in der pensylvanischen Kleinstadt, die Hauswirtschaftsschule, die vier Jahre zurückliegende Übersiedlung nach New York, um im Betrieb eines Familienfreundes als Bürokraft zu arbeiten. Mein Gott, wie schlecht sie sich für ein solches Leben geeignet hatte! Eine Party und eine Liebschaft nach der anderen, alle redeten schnell, waren immer auf dem Sprung, gaben sich vorsichtig, berechnend und durchtrieben, eine teure und sich marktgerecht verhaltende Bande, bei der sie ständig auf der Hut sein mußte.
    … Nun ja, sie hatte Pete eigentlich nur aus Trotz geheiratet, nachdem Bill herumgelaufen war und sie eine Idiotin genannt hatte, aber sie hatte den etwas schüchternen, unauffälligen Mann
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