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Der Nachtelf - Himmel und Abgrund (German Edition)

Der Nachtelf - Himmel und Abgrund (German Edition)

Titel: Der Nachtelf - Himmel und Abgrund (German Edition)
Autoren: Markus Tillmanns
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alles sollte. Tyrtalla hilf, es war brandgefährlich, sich einfach so herumzutreiben, da hatte sie wenigstens das Recht, den Grund zu erfahren! »Wer bist du?«
    »Als ob ich jemand wäre.«
    »Halte mich nicht für töricht.«
    »Wir sind niemand, Dadalore. Du bist niemand und ich bin noch weniger.« Er ging hinüber zu einem Baum und pflückte einen Apfel. »Warum lässt man uns nicht einfach jemand sein? Warum redet man uns ein, es bedürfe eines albernen, kleinen Rituals, um jemanden aus uns zu machen?« Er biss in die Frucht.
    »Dann bist du auch auf der Flucht vor der Initiation?«
    »Ah, fantastisch!« Er sprach mit vollem Mund. »Das ist eine besondere Züchtung, die eigens für den Imperator vorgenommen wurde. Die musst du probieren.«
    Er warf ihr den Apfel zu und sie fing ihn automatisch. Aber sogleich hielt sie ihn so weit von sich, wie ihr Arm es zuließ. »Wir vergreifen uns an König Gowofreds Äpfeln?«
    Er kaute noch immer. »Ja.«
    »Das ist ... das ist ... widerlich!«
    »Es ist sein Apfel, nicht sein Nachttopf.«
    Dadalore war sprachlos. Aber was hatte sie auch erwartet? Sie war jemandem gefolgt, der die Mädchen im Schlaf beobachtete. Falls er sie nur beobachtete. »Das ist widerlich! Das ist Diebstahl!«
    »Als ob das jetzt noch einen Unterschied machen würde. Wenn wir hier entdeckt werden, sind wir ohnehin tot. Außerdem hat er mehr Äpfel, als er essen kann. Glaubst du, dass das rechtens ist?«
    »Er ist der König.«
    »Und wer sind wir? Wir werden ewig niemand bleiben, da wir nicht an der Initiation teilnehmen.«
    Bekam er jetzt kalte Füße? Es war zu spät. Die Palme hatte keine Äste. Es wäre schwierig, den Stamm hinaufzuklettern. Und er reichte ohnehin nicht bis zum Fenster. Es gab kein Zurück mehr. »Was willst du denn?«
    »Ich will, was mir zusteht, Dadalore: einen Namen.«
    »Einen Namen erhält man nur durch die heilige Initiation.«
    »... oder man gibt sich selbst einen.«
    Das war Frevel! Aber Dadalore war sich bewusst, dass sie sich schwerlich auf die Heiligkeit eines Rituals berufen konnte, vor dem sie gerade davonlief. Also schwieg sie. Es war wirklich sehr schön hier.
    »Wie nenne ich mich denn? Ich nenne mich Waldini-Was-wird-er-anrichten.« Er hielt den nackten Fuß ins Wasser. »Ein vortrefflicher Name. Wie möchtest du heißen?«
    Sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Aber natürlich hatte er Recht. Sie könnte sich einen Götternamen zulegen und niemand würde je merken, dass er nicht echt war. Genau genommen musste sie sich sogar selbst einen geben, weil sie andernfalls jeder sofort als entlaufene Sklavin erkannte. »Ich weiß nicht. Was schlägst du vor?«
    »Ich sehe Dadalore-Warum-zögert-sie-noch vor mir.«
    »Ich zögere nicht.« Manchmal musste man eben etwas riskieren. Sie nahm ihren Mut zusammen und sagte: »Ich war bereits im Begriff, mich davonzumachen, bevor du aufgetaucht bist.«
    »Ich weiß.«
    Was sollte das jetzt wieder heißen? Sie verriet ihm ihr größtes Geheimnis und er hatte das schon die ganze Zeit gewusst? Eben als Dadalore ihn darauf ansprechen wollte, schlüpfte er in das Unterholz. Einen Atemzug lang war sie verwirrt, dann eilte sie ihm nach.
    Sie holte ihn an der Grenze des Dachgartens ein. Hinter ihnen rauschten die Büsche. Der Bewuchs war zum Rand hin gestutzt, damit man Aussicht in alle Richtungen hatte. Man sah die Stadt. Tausende von Lichtern beleuchteten das Alabasterviertel. Wo sie in Reih und Glied verliefen, konnte man die großen Prachtalleen ausmachen. Die anderen Viertel im Hintergrund waren spärlicher erhellt. Aber ihr Schein genügte immer noch, um Kamboburg bis zum Horizont zu dehnen.
    Waldini schwieg. Sie stand neben ihm und spürte dieses überwältigende Gefühl von Freiheit. Vor ihnen presste sich eine geländerlose Treppe an die Hauswand. Die Welt lag offen da. Jedes dieser Lichter könnte ihr Ziel sein.
    »Die Stadt ist riesig«, sagte sie nur.
    »Die Stadt ist ein Zwerg auf den Schultern eines Riesen.«
    Unten schoben sich die geschuppten Leiber zweier Ruptu durch die Straße. Dadalores erster Impuls war, sich im Gebüsch zu verstecken. Aber die Raubechsen schienen keine Notiz von ihnen zu nehmen. Ruptu so dicht am Palast? Das wäre früher undenkbar gewesen! Irmhobib hatte Recht und die Welt veränderte sich zum Schlechten. Dann realisierte sie, dass Waldini womöglich auf eine Antwort von ihr wartete. »Wie meinst du das?«
    Er sah sie an, ein bleicher Mund unter der Gugel. »Der Tag rückt näher, an dem
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