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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar
Autoren: Minette Walters
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gelassen. »Und ich würd's auch nie tun. Du darfst nicht in der Nähe von Autos spielen, weil das gefährlich ist. Das wollte Miss Baldwin von dir hören.« Sie warf Fay einen spöttischen Blick zu. »Stimmt doch, oder?«
    Fay ignorierte sie. »Du hast vorhin gesagt, dass ihr nicht mit Nadeln spielen dürft, Rosie. Aber weißt du denn überhaupt, wie eine Nadel aussieht?«
    »Klar, das weiß ich genau. Einer von meinen Dads nimmt sie immer.«
    Wütend schwang Melanie die Beine vom Sofa und versenkte ihren Zigarettenstummel in der Bierdose. »Lassen Sie sie in Ruhe«, sagte sie zu Fay. »Sie sind nicht die Polizei und auch nicht unsere Sozialarbeiterin. Es steht Ihnen nicht zu, meine Kinder nach ihren Vätern auszufragen. Sie sind gesund und munter, sie haben sämtliche Impfungen und werden beide regelmäßig auf die Waage gestellt. Das ist alles, was Sie angeht. Ist das klar? Sie haben kein Recht, hier aufzukreuzen, wann's Ihnen gerade einfällt. Das erlaub ich höchstens
einer
Person von ihrer Behörde – und das ist Sophie.«
    Fay stand auf. Eine innere Stimme mahnte sie zur Vorsicht, aber sie war viel zu verärgert, um auf sie zu achten. »Ihre Kinder stehen seit dem Tag ihrer Geburt auf der Risikoliste, Melanie«, zischte sie gehässig. »Das heißt, ich habe nicht nur das Recht, sondern es ist meine Pflicht, nach ihnen zu sehen, wann immer ich es für angebracht halte. Schauen Sie sich die beiden doch nur an! Es ist eine Schande. Wann sind sie das letzte Mal gebadet worden? Wie lange tragen sie schon dieselben Sachen?«
    »Die vom SD wissen, dass ich meine Kinder liebe, und das ist das Einzige, was zählt.«
    »Wenn Sie sie liebten, würden Sie sich um sie kümmern.«
    »Spielen Sie sich doch nicht so auf! Was ist denn mit
Ihren
Kindern –
Miss
Baldwin?«
    »Sie wissen genau, dass ich keine habe.«
    »Eben!« Sie zog ihre kleine Tochter an sich, und ihr schönes blondes Haar mischte sich mit dem des Kindes. »Wer hat dich am allerallerliebsten auf der Welt, Rosie?«
    »Meine Mama.«
    »Und wen hast du lieb, Schatz?«
    Das Kind legte seiner Mutter einen Finger auf die Lippen. »Meine Mama.«
    »Möchtest du lieber bei deiner Mama wohnen oder bei Miss Baldwin, hm?«
    Das kleine Mädchen begann zu weinen. »Bei dir, bei dir«, rief sie schluchzend und warf Melanie die Arme um den Hals, als fürchtete sie, ihr jeden Moment entrissen zu werden.
    »Da sehen Sie's«, sagte Melanie mit einem triumphierenden Lächeln zu der Betreuerin. »Jetzt behaupten Sie mal, das ich mich nicht um meine Kinder kümmere.«
    Bei Fay war es vorbei mit der Selbstbeherrschung. Vielleicht verlangte die schlaflose Nacht, die sie hinter sich hatte, jetzt ihren Tribut. Vielleicht brachten auch einfach die spöttischen Hinweise auf ihr leeres Leben das Fass zum Überlaufen. »Mein Gott, wie kann man so dumm und arrogant sein!«, rief sie außer sich. »Haben Sie auch nur die geringste Ahnung davon, wie einfach es ist, die Gefühle eines Kindes zu manipulieren?« Mit einer wütenden Bewegung wies sie zum Fenster. »Hier in dieser Straße wohnt ein Pädophiler, der Ihre kleine Rosie mit einer Handvoll Süßigkeiten verführen könnte, weil sie nie gelernt hat, was aufrichtige Liebe ist und was nicht. Und wem werden die Leute die Schuld geben, Melanie? Ihnen etwa?« Sie lachte verächtlich. »Selbstverständlich nicht... Sie werden ein paar Krokodilstränen vergießen, während man die Menschen, denen Rosie wirklich am Herzen lag – mich und Ihre Sozialarbeiterin – dafür an den Pranger stellen wird, dass sie die Kleine in der Obhut einer so unzulänglichen Person gelassen haben.«
    Melanie Patterson kniff die Augen zusammen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mir so was erzählen dürfen.«
    »Wieso nicht? Es ist die Wahrheit.«
    »Wo wohnt dann dieser Pädophile? Welche Hausnummer?«
    Zu spät erkannte Fay, dass sie zu weit gegangen war. In blindem Zorn hatte sie Informationen weitergegeben, die streng vertraulich waren. »Das tut nichts zur Sache«, sagte sie kleinlaut.
    »Sie sind echt gut – das tut nichts zur Sache! Wenn in meiner Nähe ein Perverser wohnt, möcht ich das wissen.« Melanie Patterson sprang vom Sofa auf und baute sich drohend vor der schmächtigen kleinen Person auf. »Ich weiß, dass ich in Ihren Augen eine lausige Mutter bin, aber ich hab meinen Kindern nie was getan und würd ihnen auch nie was tun. Ein bisschen Dreck und ein Kraftausdruck hin und wieder bringt sie nicht um.« Sie stieß ihr Gesicht der
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