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Der Mondmann

Der Mondmann

Titel: Der Mondmann
Autoren: Jason Dark
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nicht. Es blieb bei ihrer gedanklichen Abwehr. Da sie ihren Blick nicht vom Gesicht des Mannes lösen konnte, sah sie auch sein Lächeln, das auf der einen Seite wissend und auf der anderen irgendwie überheblich war, als wollte er ihr damit andeuten, dass es für sie kein Entkommen aus dieser Situation mehr gab. Von nun an war ihr altes Leben vorbei. Jetzt hatte sie den Schritt in ein neues getan.
    »Du gehörst mir!«, wiederholte er.
    »Ja...«, hauchte sie. Dabei senkte sie den Kopf wie ein verschüchtertes Schulmädchen.
    »Schau mich an!«
    Die Worte waren als Befehl gesprochen worden, und Melody hob mit einer ruckartigen Bewegung ihren Kopf.
    Beide Blicke trafen sich!
    In diesem Augenblick glaubte Melody, in ein fremdes Augenpaar zu schauen. So hatte sie die Augen nicht in Erinnerung. Die Farbe der Pupillen war dabei, zu wechseln, das Dunkle darin verschwand, und aus der Tiefe der Pupillenschächte tauchte die andere Farbe auf, die Melody nicht mal unbekannt war.
    Sie hatte sie bereits gesehen, und diese Entdeckung lag noch nicht lange zurück. Eine genaue Zeiteinteilung war für sie nicht möglich, aber als sie in ihrem Zimmer im Bett gelegen hatte, da war der Rabe mit seinen gelben Augen erschienen.
    Und genau diese Augen besaß auch der Fremde!
    Das kalte Mondgelb darin ließ sie einfach nicht los. Es war wie ein Bann, der auch auf sie übergegangen war, und in ihrem Kopf bewegten sich die Gedanken, ohne allerdings eine Lösung zu finden. Sie kreisten um ein bestimmtes Thema, um etwas, das es gab, aber eigentlich nicht geben sollte, doch sie kam nicht darauf.
    Eine Sage, eine Legende, die man sich hier in der Gegend erzählte und die aus der Vergangenheit entstanden war.
    Melody wusste es, doch es gelang ihr nicht, eine Lösung zu finden, bis der Fremde ihr plötzlich den rechten Arm entgegenstreckte und dabei die Hand so drehte, dass sie gegen die Fläche schauen konnte.
    Er besaß eine große Hand, und so konnte sich auch das Zeichen recht groß auf seiner Fläche abbilden. Es hatte Platz genug, und Melody musste nicht erst zweimal hinschauen, um zu erkennen, was es war.
    Es war die Mondsichel, die parallel dazu am Himmel stand.
    Melody Marwood fiel es wie Schuppen von den Augen. Jetzt hatte sie den Beweis bekommen.
    Vor ihr stand der Mondmann. Und er war gekommen, um sie zu holen...
    ***
    Er hatte ihr das nicht erst groß sagen müssen. Sie wusste es einfach, und in ihrem Innern empfand sie eine große Leere, jetzt war ihr klar, welches Schicksal ihr bevorstand. Wen der Mondmann einmal besuchte, der entkam ihm nicht. Er war der Bote des Frühjahrs. Er tauchte einmal im Jahr auf und holte sich, was er brauchte.
    Jetzt war er wieder da!
    Und bei ihr...
    Melody wusste nicht, wohin sie schauen sollte. Sie konnte sich nicht zwischen dem Gesicht und der Mondsichel auf der Handfläche entscheiden. Sie besaß die gleiche Form wie die echte Sichel oben am Himmel, aber beide unterschieden sich von der Farbe her.
    Die Sichel auf der Handfläche leuchtete nicht mehr in einem kalten Gelb. Sie hatte sich für eine andere Farbe entschieden, die allerdings ebenfalls eine gewisse Kälte ausstrahlte.
    Blau!
    Kein Blau in warmen Tönen, sondern eisig, als hätte sich die Sichel die Farbe von einem Gletscher abgeschaut. Allerdings gab es nicht nur die blaue Farbe, es war noch eine andere vorhanden, und die konzentrierte sich im Zentrum der Sichel.
    Weiß!
    Ja, auch eine sehr kalte Farbe. Nicht wie das Weiß eines Brautkleids, sondern wie der gefrorene Schnee auf einem Gletscher. Während es die Mitte der Sichel ausfüllte, verteilte sich die blaue Farbe mehr an den Rändern, und dort faserte sie auch ein wenig aus.
    Der Mondmann hielt seine Hand weiterhin in der gleichen Haltung. Wenn Melody die Sichel nicht mehr sehen wollte, musste sie den Kopf zur Seite drehen, was sie aber nicht tat, denn sie erlag der Faszination dieses Zeichens.
    Der Mondmann brauchte auch nichts zu sagen. Es gab trotzdem den Kontakt zwischen ihnen. Melody merkte, dass sie nicht mehr sie selbst war. Sie lächelte vor sich hin, ohne es zu wollen. Es war ein Zeichen, dass sie dem Fremden voll und ganz vertraute. Er bestimmte in ihrem Leben, und sie sehnte sich danach, von ihm angesprochen zu werden. Sie war ein völlig anderer Mensch geworden und hatte das Leben, das sie bisher geführt hatte, vergessen.
    Hier ging es um das Licht. Um dieses nicht normale Licht, das trotzdem für sie so faszinierend war, dass sie sich ihm nicht entziehen konnte und es
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