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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Gemmell
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und Sohn genannt, Gemahl und General. Sie hatte ihn Verbrecher und Verräter geschimpft. Jetzt nannte man ihn verstorben.
    Er war selbst der Meinung, dass die Welt damit vermutlich sogar Recht hatte, als er diesen beiden schmutzigen Kindern über einen schmalen, schlüpfrigen Vorsprung durch die Dunkelheit der Abwasserkanäle tief unter der Cité folgte. Der Junge hielt die Hand des Mädchens fest, aber sie ging auf der Seite des Vorsprungs, die zum Abwasserkanal lag, und Bartellus beobachtete besorgt, wie ihre Schritte sich immer wieder dem Rand zum Fluss näherten, bevor sie wieder sicheres Terrain betrat. Er wusste nicht genau, ob der schmächtige kleine Junge die Kraft hätte, sie zu halten, wenn sie abrutschten und stürzen würden. Er wusste nicht einmal, ob er selbst das vermocht hätte.
    Der Verschleiß unter den Soldaten dieses Molochs von Cité durch ihren endlosen Krieg mit der Welt außerhalb der Mauern war so hoch, dass die Geburtenrate ins Bodenlose fiel. Kinder wurden ein immer seltenerer Anblick. Deshalb sollte eigentlich jedes Kind kostbar sein, dachte der alte Mann, wie ein Juwel beschützt, behütet und versorgt werden. Kein Kind sollte einfach achtlos weggeworfen, in die Kanalisation gespült oder der Willkür böser Menschen überlassen werden. Unwillkürlich legte er die Hand auf die Brust zu einem Gebet, in dem er die Götter von Eis und Feuer anflehte, auf zwei so kleine Kinder an diesem schrecklichen Ort aufzupassen.
    Elija mochte das Gierwehr nicht; es war gefährlich, es zu überqueren, es war so laut, dass es einem das Hirn lähmte, und der Gestank war noch schlimmer als irgendwo sonst in den Hallen, falls das überhaupt möglich war. Aber es beruhigte ihn. Es war ein Fixpunkt in seiner Welt. Von diesem monströsen Bauwerk aus wurden die Entfernungen zu allen anderen Orten unterhalb des Molochs gemessen. Wo auch immer er in seiner Zeit als Kloaker gewesen war, hatte er die Kakophonie des Wehrs hören können und hatte stets genau gewusst, wie weit er sich von zu Hause entfernt hatte. Elija wusste, dass er sich in den Hallen niemals verirren würde, eben wegen dieses Wehrs. Er ging niemals irgendwohin, es sei denn als Mitglied eines Suchtrupps, also würde er sich ohnehin nicht verirren. Er konnte ertrinken, gewiss, von einer Flut überrascht werden, beim Einsturz einer Decke zerschmettert oder von einer Bande Plünderer wegen irgendwelcher Fundsachen ermordet werden, von den Patrouillen des Kaisers getötet werden, aber er würde sich nicht einfach so verirren. Expeditionen verirrten sich ebenfalls nie, schon gar nicht solche, die von Malvenny angeführt worden.
    Das Gierwehr war ein riesiges Wehr aus Holz und Metall. Überall tropfte Wasser, und es war schlüpfrig von Algen. Es erhob sich höher als drei Männer über das Sims, über das sie gingen, und erstreckte sich quer über den ganzen Strom. Der maß an diesem Punkt mehr als dreißig Spannen. Elija konnte kaum die andere Seite erkennen. Heute herrschte Hochwasser, deshalb konnte er auch die zwanzig großen Walzen nicht sehen, die die Mechanik des Wehrs ausmachten. Aber sie befanden sich nicht weit unter der Wasseroberfläche; das Wasser rauschte, schäumte und toste. Die Walzen saugten den Strom auf der Südseite an und pulverisierten in ihrem Mahlwerk alles, was darin schwamm. Dann spien sie es weiter unten wieder aus. Hoch oben links und rechts neben dem Wehr saßen einfache Filter, die es dem Strom erlaubten, einfach weiterzufließen, falls die Flut zu hoch stieg.
    Im Licht der Fackeln sah Elija, dass der Neue seine Hände auf die Ohren gelegt hatte. » Du gewöhnst dich daran«, sagte Elija. Er wusste, dass er ihn nicht hören konnte, aber trotzdem würde der Mann begreifen, was er gesagt hatte. Man hörte diese Worte täglich in den Hallen. Du gewöhnst dich daran.
    Das Gierwehr zu überwinden war nicht gefährlicher als die meisten Erkundungsgänge in den Hallen. Ein Holzsteg überspannte das Gebilde etwa mannshoch unterhalb der Spitze. Man erreichte den Steg auf beiden Seiten über eine Wendeltreppe. Das Holz war schlüpfrig von Wasser, Rattenkot und den fahlen, unheimlichen Pflanzen, die rätselhafterweise in Finsternis und Feuchtigkeit gediehen. Man musste sehr vorsichtig gehen. Elija hatte einmal gesehen, wie eine Frau oben vom Gierwehr gestürzt war. Es war ein schrecklicher Tod, aber ein schneller. Man wurde innerhalb von wenigen Augenblicken zwischen den Walzen zerquetscht. Elija hatte nicht die Absicht zu
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