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Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal
Autoren: Ken Follett
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haben sie mich nie. Deshalb spring' ich jetzt immer so mit denen um. Man ist wie ein Butler, verstehen Sie. Die meisten guten Butler wissen über Speisen und Wein mehr als ihre Herren. Trotzdem werden sie von oben herab angesehen. Das nennt man Klassengrenzen. Ich habe mein Leben lang versucht, einer von ihnen zu werden. Ich bildete mir ein, als Kunstexperte könnte ich das schaffen. Irrtum. Es gibt keine Möglichkeit!«
    »Und einheiraten, was ist damit?« fragte Julian.
    »Haben Sie das getan? Dann sind Sie schlechter dran als ich. Sie können aus dem Rennen nicht ausscheren. Sie tun mir leid, mein Sohn.«
    Die eine Seite des Rahmens war jetzt entfernt. Moore nahm aus einem Halter ein scharfes Messer, das etwas Skalpellartiges an sich hatte. Aus sehr kurzer Entfernung starrte er auf die Leinwand und löste mit der Messerklinge etwa einen Millimeter Farbe.
    »Oh«, grunzte er.
    »Was?«
    »Wann ist Modigliani gestorben?«
    »1920.«
    »Oh!«
    »Wieso?«
    »Die Farbe ist ein bißchen weich, das ist alles. Muß aber nichts weiter bedeuten. Nur mit der Ruhe.«
    Von einem Bord nahm er eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit, von der er etwas in ein Reagenzglas goß. Dann tauchte er die Messerklinge hinein. Mehrere Minuten vergingen, nichts geschah. Julian hatte das Gefühl, daß die Zeit stehengeblieben war. Dann begann sich die Farbe an der Klinge aufzulösen und mit der Flüssigkeit zu vermischen.
    Moore blickte zu Julian. »Damit wäre die Sache entschieden.«
    »Was haben Sie bewiesen?«
    »Die Farbe ist nicht älter als drei Monate, junger Mann. Sie haben eine Fälschung. Wieviel haben Sie dafür bezahlt?«
    Julian starrte auf die sich auflösende Farbe. »Es hat mich so ziemlich alles gekostet«, sagte er ruhig.
    In einem Zustand halber Benommenheit fuhr er nach London zurück. Wie es geschehen war, wie es hatte geschehen können, er wußte es nicht. Angestrengt grübelte er über seine nächsten Schritte nach.
    Seine Fahrt zu Moore hatte einem einfachen Zweck dienen sollen: den Wert dieses echten Modigliani noch zu erhöhen. Denn daran, daß es sich um ein authentisches Werk des Meisters handelte, hatte für ihn nicht der geringste Zweifel bestanden. Jetzt wünschte er, diese im Grunde ohnehin überflüssige Idee wäre ihm nie gekommen. Die Frage, die er jetzt in seinem Gehirn wälzte, ähnlich wie ein Spieler, der in der Höhlung die Würfel rollt, war diese: Konnte er einfach so tun, als sei er überhaupt nicht bei Moore gewesen?
    Zweifellos konnte er das Bild noch immer in seiner Galerie aufhängen. Moore würde es niemals sehen, würde niemals erfahren, daß es auf dem Markt war.
    Dennoch blieb ein Problem. Moore konnte das Bild bei irgendeiner Gelegenheit rein zufällig erwähnen. Mochte ja sein, daß das erst in ein paar Jahren geschah. Aber dann würde die Wahrheit herauskommen: Julian Black hatte ein Gemälde verkauft, von dem er wußte, daß es eine Fälschung war. Und das würde das Ende seiner Karriere bedeuten.
    Aber das war alles so unwahrscheinlich. Lieber Himmel, in ein paar Jahren würde Moore sowieso sterben - er mußte so an die siebzig sein. Wenn der Alte doch bloß bald sterben würde.
    Plötzlich wurde Julian bewußt, daß er, zum erstenmal in seinem Leben, buchstäblich mit dem Gedanken an Mord spielte. Er schüttelte den Kopf, wie um ihn von Gespinsten zu befreien. Die Idee war absurd. Ohne den Modigliani jedoch konnte er kaum auf eine Karriere hoffen. Sein Schwiegervater würde kein Geld mehr herausrücken, und die Galerie würde ein Flop werden.
    In diesem Augenblick faßte er einen Entschluß. Er würde Moore ganz einfach vergessen. Und er würde das Bild ausstellen.
    Jetzt kam es entscheidend darauf an, sich so zu verhalten, als ob nichts geschehen sei. Er wurde bei Lord Cardwell zum Dinner erwartet. Sarah würde anwesend sein, und sie hatte die Absicht, dort zu übernachten. Julian würde die Nacht mit seiner Frau verbringen: Was konnte normaler sein?
    Als er Lord Cardwells Besitz erreichte, sah er, daß neben dem Rolls-Royce seines Schwiegervaters ein ihm wohlbekannter dunkelblauer Daimler geparkt war. Julian verstaute seinen gefälschten Modigliani im Kofferraum des Cortina und ging dann zum Eingang.
    »Guten Abend, Sims«, sagte er, als der Butler die Tür öffnete. »Ist das nicht Mr. Lampeths Daimler dort?«
    »Ja, Sir. Die Herrschaften befinden sich alle in der Galerie.«
    Julian überließ dem Butler seinen kurzen Mantel und stieg die Treppe empor. Aus dem Raum ganz oben
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