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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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geklingelt. Sie können sich vorstellen, dass ich aus allen Wolken gefallen bin. Wenn jemand vergewaltigt worden ist, dann ich, der ich mich zu Dingen hab hinreißen lassen, die mir überhaupt nicht liegen.« Der junge Mann schnaufte empört. »Zuerst dachte ich, es sei nur ein Missverständnis. Doch die Hauptkommissarin, die mich vernommen hat, war so was von eiskalt. Da wusste ich, dass ich in eine ganz üble Sache geraten war. Himmel!« Er schlug sich an die Stirn. »Und dann gab es auch noch eine Gegenüberstellung. Als ich …«
    »Gudrun Benningdorf«, half ich ihm.
    »… sah, wurde mir ganz anders. Sie war …« Er schüttelte den Kopf und schluckte. »Auf einmal wurde mir klar, warum mich alle so behandelten, als sei ich ein Verbrecher. Derjenige, der ihr das angetan hatte, musste ein brutaler Schläger sein. Aber das Allerschlimmste war ihre Reaktion, als sie mich entdeckte. ›Der war’s‹, schrie sie. ›Dieses Arschloch hat mich so zugerichtet.‹ Ich brachte keinen Ton heraus, ich hatte das Gefühl, mein Kopf platzt. Es war der demütigendste Augenblick in meinem Leben.«
    »Warum, glauben Sie, beschuldigt die Benningdorf Sie?«
    Christian Schwarz überlegte. »Ich weiß es nicht. Mein Vater ist davon überzeugt, dass das gegen ihn geht. Aber das ist typisch für ihn. Die Welt meines Vaters dreht sich um sein eigenes Ego. Ich bin da nicht so sicher. Möglicherweise will sie den wahren Täter decken.«
    »Das hätte sie einfacher haben können«, widersprach ich. »Ohne Anzeige keine Strafverfolgung.«
    »Aber von mir kann sie ein Schmerzensgeld kassieren. Es gibt leider etliche – wie heißt es so schön – gerichtsverwertbare Tatsachen, die gegen mich sprechen.«
    »Das stimmt.« Ich stand auf. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Versprechen kann ich allerdings nichts. Ehrlich gesagt, es sieht ziemlich schlecht für Sie aus.«
    »Ich weiß«, sagte Christian Schwarz leise.
     
    Ich ging ein Stück die Straße hinauf, wo es einige Straßencafés gab. Um diese Jahreszeit wurde der Regen in Münster langsam kälter, im Moment blieb er allerdings aus, und so waren die Tische auf dem kleinen, kopfsteingepflasterten Platz dicht umlagert. Nur mit Mühe fand ich einen leeren Stuhl, bestellte einen Cappuccino und dachte nach.
    Dann griff ich zu meinem Handy. Lange hatte ich mich gegen diese neue Ikone des ausgehenden 20. Jahrhunderts gesträubt, doch schließlich siegte die Angst, als altmodisch zu gelten.
    Ich wählte die Nummer von Hauptkommissar Stürzenbecher im münsterschen Polizeipräsidium. Stürzenbecher war nicht mehr im Büro.
    Ich probierte es bei Stürzenbecher zu Hause. Nach dem fünften Klingeln hatte ich ein Schnaufen in der Leitung. Der Hauptkommissar schnappte nach Luft. Im Hintergrund hörte ich das enttäuschte Stöhnen einer Frau.
    »Störe ich?«
    »Wer ist da?«, japste Stürzenbecher.
    »Georg Wilsberg.«
    »Und wie du störst.« Er legte auf.
    Diesmal nahm er nach dem zweiten Klingeln ab. »Was willst du?«
    »Du hast sicher von dem Ermittlungsverfahren gegen Christian Schwarz gehört, dem Sohn des Bundestagsabgeordneten. Er ist wegen Vergewaltigung angezeigt worden.«
    »Du nervst, Wilsberg. Sittlichkeitsdelikte fallen nicht in mein Ressort. Ich kann dir gerne die Privatnummer von Hauptkommissarin Lassmann-Noeten geben. Vielleicht lädt sie dich zu einem Schlummertrunk zu sich nach Hause ein.«
    »Ich weiß, dass du nicht zuständig bist. Ich möchte ja nur, dass du einen Blick in die Akte wirfst.«
    »Wer ist dein Auftraggeber? Der Bundestagsabgeordnete?«
    Ich sagte: »Kein Kommentar.«
    »Dann noch einen schönen Abend!«
    »Ja«, gab ich nach, »es ist Schwarz senior. Und Schwarz junior schwört, dass er unschuldig ist.«
    »Das sagen sie alle.«
    »Nur ein paar belanglose Informationen«, bettelte ich.
    Er grunzte. »Ein Blick in die Akte kostet dich ein Mittagessen.«
    Ich sagte, das ließe sich einrichten, und wir verabredeten uns für den nächsten Mittag in der Pizzeria an der Kreuzkirche.

III
     
     
    Das Wetter gab sich vorübergehend freundlich, und wir saßen unter der Markise auf der Außenterrasse der Pizzeria. Die Pizzeria gehörte zu einem Ensemble von sechs oder sieben gastronomischen Einrichtungen, die sich rund um die Kreuzkirche gruppierten, der Piazza , wie meine italophilen Nachbarinnen mit Vorliebe sagten. Gleich gegenüber der Pizzeria befand sich die Eisdiele, in der man mittags seinen Eiskaffee oder Cappuccino trank, und links daneben eine Kneipe,
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