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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt
Autoren: dtv
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Bungalows, in dem ich aufgewachsen war. Ich spielte hin und wieder mit der
     Polaroidkamera herum, die mein Vater mir geschenkt hatte, und Angelique las in einer ›Frau im Spiegel‹. Meinem Vater gehörte
     ein großes Möbelhaus in unserer Stadt, die »Möbelwelt Stiltfang & Strube«. Ein Familienunternehmen in der dritten
     Generation. Die Strubes hatten das 100 0-jährige Reich nicht überlebt. Mit Möbeln waren in den sechziger und siebziger Jahren gute Geschäfte zu machen, als die Nachkriegsgeneration
     nach der Fresswelle auch das Prinzip »Schöner Wohnen« entdeckte und Ikea noch nichts weiter als eine schwedische Spanplattenklitsche
     war. Wir konnten uns einen Pool im Garten leisten und noch so einige andere Dinge, die in einer Kleinstadt wie der unseren
     eher exotisch anmuteten. Einen roten Mercedes Pagode zum Beispiel, in dem mein Vater auch bei schlechtem Wetter mit geöffnetem
     Verdeck zur Arbeit fuhr. Den Pool hatte ich immer geliebt. Viele heiße Sommernachmittage lungerte ich hier mit meinen Freunden
     auf unseren blauen Schaumstoffliegen herum, immer den Chlorgeruch und diesen unverwechselbaren Dunst des Piz-Buin-Sonnenöls
     in der Nase. Vor uns stand meistens eine große Karaffe mit Selters und einer Tri-Top-Kirschmischung auf dem schweren rostroten
     Steintisch, dazu ein paar dreieckige, orange Sunkist mit Strohhalmen. Für unsere kulturellen Anregungen sorgten zerlesene
     Fix-AMPERSAN D-Foxi - oder Kater-Felix-Comics. Hin und wieder plantschten wir ein wenig im Pool und spielten mit unserem Münsteraner Vico, der
     es liebte, von uns ins Wasser geworfen und dann »gerettet« zu werden.
    Angelique taucht in diesen lebendigen Erinnerungen an sorglos dahinplätschernde Sommertage nicht auf. Damals kannten wir noch
     keine Angelique, niemand aus unserer Familie.Vermutlich nannte sie sich zu der Zeit noch Cordula, was Sinn machen würde, denn das ist ihr richtiger Name. Cordula Bartke,
     um präzise zu sein. Es dauerte etwas, bis ich erfuhr, dass Angelique in Wahrheit eine
Cordula
war. Da hielt ich sie allerdings schon für so beschränkt, dass ihr »Künstlername« auch keine Rolle mehr spielte.
     
    Ich erinnere mich nur an diesen einen Tag mit ihr zusammen am Pool. Es war gleichzeitig der letzte, den ich dort unbeschwert
     verbringen sollte. Beinahe zwei volle Stunden hatte Angelique nun schon darauf verwandt, sich voller Hingabe ihrem Körper
     zu widmen. Es war ein Grundkurs in Zen: Erst schnitt sie konzentriert ihre Fußnägel und rieb mit einem dicken Bimsstein die
     Hornhaut unter ihren Füßen ab, wusch und cremte sie minutenlang ein. Das hier schien ein gewohntes Ritual zu sein, fasziniert
     sah ich ihr aus den Augenwinkeln dabei zu, wie sie in ihrem knappen kanarienvogelgelben Bikini routiniert an sich arbeitete
     wie an der Fassade eines Tempels. Unter dem strahlend blauen Himmel wirkte Angelique auf ihrem Liegestuhl wie eine zum Leben
     erweckte Postkarte. Nachdem auch noch Fuß- und Fingernägel in Seelenruhe lackiert worden waren (in einem merkwürdigen Rotton
     mit dem Namen »Framboise«), begann sie, sich von Kopf bis Fuß mit ihrem transparenten Kokossonnenöl einzureiben. Ich nehme
     an, das Zeug sollte bloß den broilerbraunen Teint unterstreichen, den Angelique sich bereits durch geduldiges Sonnenbaden
     angeeignet hatte.
    Mir wurde langsam heiß. Angelique cremte sich von den Füßen bis zu den Oberarmen in einem Tempo ein, als habe sie erst wieder
     in einigen Monaten den nächsten Termin. Mit konzentrierter Miene schabte, strich und salbte sie selbstvergessen an sich herum.
     Ein faszinierendes Schauspiel. Ich konnte nicht wegsehen. Mehr noch, inzwischen starrte ich sie ohne jede Zurückhaltung an
     (vorsichtshalber hatteich mich auf den Bauch gelegt, nur um sicherzugehen). Ich war knapp davor, meine Polaroid zu zücken und ein Erinnerungsfoto
     zu schießen. Sie
musste
meine Irritation bemerkt haben.
    Ich wusste, es gab jetzt nur zwei Möglichkeiten. Ich hatte Angst vor beiden. Entweder sie fragte, warum ich denn so schmierig
     glotze, und dann würde ich rot werden und mich wegdrehen, ohne aufstehen zu können. (Ich möchte noch mal dran erinnern: Ich
     war vierzehn Jahre alt!) Oder sie fragte mich, ob ich ihr den Rücken einreiben könnte. Dann würde ich aufstehen müssen und
     mich der größten Herausforderung meiner noch recht frischen Pubertät stellen. Möglicherweise fragen Sie sich ja, wo das verdammte
     Problem ist. Wenn sich eine neunzehnjährige Schönheit
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