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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot
Autoren: Thomas Raab
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besser?“
    „Willibald, hast du heimlich studiert Fußball, wegen mir, brauchst du nicht. Ich nehm Metzger auch mit keine Ahnung. Ist ein Problem, weißt du, wenn begehrte Ausländer schickt beliebte Inländer auf Bank. Das ist so, wie wenn Mann aus Reklame, den Frau und Gatte im Fernsehn bewundern wegen gute Figur, plötzlich läutet an Wohnungstür, Frau guckt bei Spalt raus, erkennt und reißt sofort Tür auf, wegen Begehren. Da ist bei Gatten schnell vorbei mit Bewundern.
    So ist auch in Fußball, da ist Fangemeinde egal, ob wegen Leistenbruch oder sonst was einheimischer Spieler geht auf Zwangspause. Noch dazu, wo Kreuzberger zusammen mit Adi Schuster inzwischen ist einziger Stammspieler mit inländischem Reisepass bei Kicker Saurias. Fans große Patrioten, mehr als Liga. Weil momentan in Fußball gibt nur ein Gesetz: Einwanderungsbehörde bekommt von Liga Freikarten für Spiele, und Liga von Einwanderungsbehörde Freikarten für Spieler.“
    Willibald Adrian Metzger ist schockiert, und er wird gleich noch viel schockierter sein.
    Sprechchöre werden angestimmt, und dann inbrünstig gesungen: „Zehn kleine Negerlein!“
    Anfangs nur von ein paar halbtrunkenen Halbstarken.
    Bei „Da waren’s nur noch sieben!“ dann schon vom ganzen Sektor, bei „Da waren’s nur noch sechs!“ auch schon von einigen gegnerischen Fans, weil, was spricht dagegen, die besungene Person gehört ja zur anderen Mannschaft.
    Bei „Da waren’s nur noch vier!“ ist dann bereits zum Kicker-Saurias-Sektor das gesamte gegenüberliegende gegnerische SK-Athletik-Süd-Grätzel zu hören.
    Dass kurzfristige Verbrüderungen ausgewachsener Feinde zum Zwecke unisoner Verabreichung handfester Gemeinheiten gegenüber Dritten durchaus üblich sind, weiß der Metzger, da hätte er sich den Fußballplatzbesuch ersparen können.
    Eine durchaus neue Erfahrung wird ihm allerdings durch die Reaktion des in diesem Fall grausam Betroffenen zuteil.
    Kwabena Owuso nämlich bleibt so was von gelassen, als stünde er verträumt in seiner Heimat an einem einsamen Strand des Atlantiks. Und er hält stand, den Gesängen und jedem spielerischen Ansturm, mit bewundernswerter Präzision. Wäre das Spielfeld die Hölle und der Ball eine verzweifelte Seele, die aus dieser Unterwelt zu fliehen versucht, Kwabena wäre der Cerberos, der Höllenhund, der es keiner Wuchtel gestattet, aus dem Hades zu entkommen.
    So hält er einen Ball nach dem anderen, und zum Lachen ist ihm auch nicht.
    In den Homer’schen Gesängen, die vielleicht eine etwas gehobenere Alternative zu den eher primitiven Schlachtchören darstellen könnten, wird Cerberos vom in die Unterwelt gelangenden Odysseus folgendermaßen beschrieben:
    Auch den Kerberos sah ich,
    mit bissigen Zähnen bewaffnet.
    Böse rollt er die Augen,
    den Schlund des Hades bewachend.
    Wagt es einer der Toten
    an ihm vorbei sich zu schleichen,
    so schlägt er die Zähne
    tief und schmerzhaft ins Fleisch der Entfliehenden
    und schleppt sie zurück unter Qualen,
    der böse, der bissige Wächter.
    Dass Kwabena Owuso ziemlich bald, in vielfacher Hinsicht, dem Viecherl näher kommen wird, als ihm lieb ist, hat zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht einmal Zeus geahnt.

    Jetzt ist das so mit der Masse: Wenn ein Gefäß ihrem Ansturm standhält, beruhigt sie sich im Lauf der Zeit – da wird der brühend heiße Kaffee nach der Erschütterung des Einschenkens im Bollwerk des Häferls zu einem friedlichen Brackwasser. Und irgendwie erscheint es dem Metzger, als wäre der Tormann der Behälter, in dem der brodelnde Haufen zur Ruhe kommt.
    Ist ihnen eigentlich auch gar nichts anderes übrig geblieben, den Zuschauern. Spätestens als Kwabena Owuso, begleitet von der Hintergrundkulisse „Da waren’s nur noch zwei!“, einen 100-prozentigen Torschuss grandios, wie mit Zauberhand, aus dem langen Eck herausfischt, verändert sich der Gesang. Dem ganzen Stadion entkommt ein „Uhhhhhhh“, gefolgt von einem anschwellenden Applaus, sogar einige Gegenspieler gratulieren zu dieser Parade – das ist wahre Sportlichkeit.
    So geht es in die Pause.

    Während sich der Metzger mit der Djurkovic um ein Bier und ein Paar Würstel anstellt, tummeln sich aufgeregt die Leute herum, als gäbe es etwas gratis, und wie dann richtiggehend Volksfeststimmung aufkommt, ist von nichts anderem mehr die Rede als von Kwabena Owuso. Von der tollen Leistung, und dass er überhaupt schon so lange so grandios hält und dass er im Grunde locker mit dem
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