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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot
Autoren: Thomas Raab
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benachbarte Schrebergärtner um ein Stückchen Rasen streiten. Sozusagen ein Konflikt im eigenen Revier – und der ist ohnedies wie ein Virus ohne Heilmittel. Nun ist Fußball ja im Grunde kein Konflikt, sondern eher ein Spiel, zumindest für die aktiv am Spiel beteiligten Personen – solange diese sich an die Regeln halten. Nicht jedoch für die Zuschauer, und schon gar nicht, wenn die alle aus derselben Stadt kommen.
    So wie in diesem Fall.
    Genauer gesagt im Fall: Kicker Saurias Regis gegen SK Athletik Süd, der eine Klub aus dem Osten der Stadt, der andere aus dem Süden. So klein können Städte gar nicht sein, dass nicht die Kluft zweier Vereine aus derselben Metropole, derselben Liga und folglich derselben Absicht, nämlich auf einem Tabellenplatz vor dem anderen Klub zu landen, von dermaßen unüberwindlichen Ausmaßen ist, eher würde sich der Papst beschneiden lassen.
    Die Stimmung im Stadion ist schwer explosiv, nur die Djurkovic registriert in ihrer Begeisterung nicht, welche Sprengkraft das Fass in sich birgt, an dem sie sich gerade ekstatisch besäuft. Dem Metzger ist aber schon längst nicht mehr so wohl in seiner Haut, sein rechter Mundwinkel zuckt nervös und verpasst ihm beinah im Dreisekundentakt einen dezenten einseitigen Grinser, unfreiwilliger und vor allem unehrlicher kann so ein Grinser kaum sein – dem Willibald Adrian ist nämlich alles andere als nach Lächeln zumute.
    Fest drückt er sich schutzsuchend in den Schalensitz, während um ihn herum die Sprüche der benachbarten Fans immer rüder werden, weit entfernt von jugendfrei. Die Väter klopfen stolz ihren minderjährigen Söhnen auf die Schulter, weil den Kleinen Worte über die Lippen kommen, für die es zuhause gewöhnlich eine Tracht Prügel setzt. So lernt der Sprössling frühzeitig, dass dem gegnerischen Sektor weit mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss als den paar Hanseln, die da unten verzweifelt einem Ball hinterherlaufen. Eine Lektion fürs Leben, kann man da nur sagen.
    Dann kommt der Angriff! Die Fangemeinde, in die der Metzger eingetaucht ist, ohne zu wissen, wem er da eigentlich angehört, stimmt ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert an. Der Stürmer nähert sich bedrohlich dem Strafraum, überspielt gekonnt die Abwehr, und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wird dieser Sturmlauf beendet – mit einem Schuss.

2
    Was folgt, ist eine sportliche Meisterleistung, eng verbunden mit der Demonstration „menschlicher“ Grausamkeit. Denn die gewaltige, artistische Parade des Torhüters, der eben eine 100-prozentige Torchance aus dem rechten Kreuzeck, also der rechten oberen Ecke des Kastens, herausfischt, ist den Zuschauern nicht einmal ein Raunen wert. Jetzt wundert sich der Metzger natürlich schon ein wenig, warum trotz dieser unglaublich grandiosen Einlage des Tormanns, dieser Rettung in höchster Not, der Jubel der eigenen Fangemeinde und der Mitspieler bedrückend mäßig ausfällt.
    Und während in Willibalds Hirn das Unverständnis dieser Verhaltensabnormität richtiggehend für Aufruhr sorgt, gesellt sich zu dieser geistigen Verwirrung auch noch eine akustische Luftverpestung der anderen Art.
    „Schleich di ham, Bimbo!“, ertönt es aus den eigenen Reihen, also dem rot getünchten Kicker-Saurias-Fanblock, gefolgt von:
    „Spü di mit aner Kokosnuss, oba ned mit an Fuaßball!“ und „Schickt’s den Bimbo dorthin, wo’s dunkel ist, weu da fühlt er sich z’haus!“
    Spätestens jetzt erwacht auch die Djurkovic aus ihrer spielbedingten Euphorie.
    Wenn die eigenen Wurzeln keine einheimischen sind, ist das Gehör für verbale Umweltverschmutzung besonders sensibel, obwohl, für die Identifizierung der Disharmonie derartiger Meldungen braucht man für gewöhnlich gar kein sensibles Gehör, außer man trifft sich in ausgemusterten Militäruniformen mit seinen kahl geschorenen Freunden zum Paintballschießen im Gebüsch.
    Wird ja auch höchste Zeit, denkt sich der Metzger, nachdem ihm die Danjela einen erstaunten Blick zuwirft. Er stellt verwundert ihrem wieder erwachten Geist die Frage: „Was passiert hier, bitte?“
    „Na, schätz ich mal, neue Tormann nicht gerade Liebling von Fangemeinde. Heißt Kwabena Owuso, Import aus Ghana, Ersatz für Nummer-Eins-Goali Stefan Kreuzberger, hat Pause wegen Leistenbruch!“
    „Ich bin zwar ein Unwissender“, meint der Metzger, „aber gilt nicht für gewöhnlich: je exotischer der Kicker, desto begehrter, bewunderter und gelegentlich auch
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