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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler
Autoren: Will Lavender
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geben. Verdammt, Alex, warum willst du glauben, dass er sich verändert hat? Warum …
    »Dostojewski.«
    Das brachte sie zum Stehen. Sie stand da, hörte, wie das Gebälk des alten Hauses im Wind kreischte, und wartete.
    »Dr. Tanner«, sagte der Professor hinter ihr. »Ich weiß, dass er mit einem Beil ermordet wurde. Und die beiden anderen, die früheren, wurden genauso getötet. ›Er zog das Beil ganz hervor, hob es, fast ohne Besinnung, mit beiden Händen in die Höhe und ließ, beinahe ohne eigene Anstrengung, beinahe rein mechanisch, den Beilrücken auf den Kopf der Alten niederfallen. Er hatte in diesem Augenblick eigentlich gar keine Kraft in sich gehabt.‹«
    »Verbrechen und Strafe.«
    »Ja. Keiner meiner Lieblinge im Kanon, aber da hast du deine Antwort, Alexandra. Die Verbindung. Es ist bloß eine blasse Kopie, ein Nachahmungstäter. Dein Mörder – er ist ein dummer Mann ohne originelle, eigene Ideen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Wie ich schon gesagt habe, war an diesem Verbrechen etwas anders.«
    »Inwiefern anders?«
    Alex wog ihre Worte jetzt ab. Sie musste wenigstens hierbei deutlich sein, musste dem Professor das sagen, was die zwei Männer vom College ihr zu sagen aufgetragen hatten. Es muss perfekt sein , war sie von ihnen gewarnt worden.
    »Auf den ersten Blick sieht der Mord an Michael genauso aus wie die Morde, die Sie – genau wie die Dumant-Morde aus den Achtzigern«, sagte sie. »Aber wenn man genau hinsieht, ist da etwas anderes. Etwas Neues.«
    Er wartete darauf, dass sie fortfuhr.
    Und dann ließ sie den Satz fallen, den die Männer ihr genannt hatten, den Köder : »Dieser Mord … er ist wie ein Rätsel.«
    Innerlich versteifte er sich. Nur diese wenigen Worte hatten seine Reaktion hervorgerufen, die Herausforderung, die Alex Shipley ihm präsentiert hatte – sie spürte, wie die Anspannung in dem winzigen Raum stieg. Sie hatte ihn.
    »Ich wohne nur ein paar Meilen von diesem schrecklichen Ort entfernt«, sagte er dann fast zu sich selbst. »Ich höre, was man so sagt. Ich weiß, wie die Leute sein können.«
    »Bedeutet das, dass Sie helfen werden, Professor?«
    Er sah sie an. »Denken die, ich hätte irgendetwas mit dem, was geschehen ist, zu tun?«
    Sie sagte nichts. Die Stille sollte für sie antworten.
    »Also schön. Vielleicht ist es gut, wenn man wieder an mich glaubt. Wenn ich wieder gefürchtet werde.«
    »Werden Sie helfen, Professor?«
    »Weil ich dir etwas schuldig bin?«
    »Weil, wer auch immer das getan hat, er immer noch da draußen ist. Weil uns beide eine gemeinsame Geschichte mit Michael Tanner verbindet. Und ja, weil Sie mir etwas schuldig sind.« Sie sind mir verdammt viel schuldig.
    »Es ist mehr als das, Alexandra.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Du machst dir Sorgen, dass diese unglücklichen Ereignisse jeden aus dem Abendkurs ins Scheinwerferlicht rücken werden. Dich ganz besonders.«
    »Das hier hat nichts mit dem Seminar zu tun.«
    »Hast du dir das auf dem Flug zurück nach Vermont eingeredet? Der Gedanke, der in deinem Kopf kreischte, während der Geschäftsmann aus Amherst dich ach so raffiniert angemacht hat? Es hat nichts mit dem Abendkurs zu tun. Es hat nichts mit dem Abendkurs zu tun. ES HAT NICHTS MIT DEM ABENDKURS ZU TUN .« Die Stimme des Professors wurde lauter, bis sie vom Haus verschluckt wurde. Dann lachte er, ein grausames, fieses Bellen.
    »Michael«, sagte sie sanft. »Er gehörte dazu. Er liebte Bücher, genauso wie wir es tun. Er lebte für die Literatur. Wer auch immer das getan hat, hat seinen Plan über lange Zeit perfektioniert. Was Sie vorher gesagt haben, da ist etwas Wahres dran. Die Polizei glaubt, dass dieser Mörder ein Nachahmungstäter ist, dass er das, was vor siebenundzwanzig Jahren an der Dumant University geschehen ist, neu erschafft. Das Opfer ist ein Literaturwissenschaftler, an der Wand befindet sich Blut im Rorschachmuster, die Bücher in Michaels Bibliothek sind neu arrangiert worden. Der Mörder hat die alten Tatortfotos genau studiert, Professor. Er hat sie auswendig gelernt.«
    Sie schwieg, sah ihn an. Sie spürte, wie sein Geist arbeitete, das elektrische Aufwühlen seiner Gedanken. Er war der brillanteste und aggressivste Mann, den sie je kennengelernt hatte. Sie dachte in den seltsamsten Momenten an ihn, erinnerte sich an das Seminar, an die Suche nach der Identität eines geheimnisvollen Autors und an all die Geheimnisse, die sie über die eigenen Verbrechen des Professors enthüllen
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