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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa
Autoren: Noah Gordon
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Besitzungen in Valencia geerbt, aber Juan Antonio hatte in Toledo eine vortreffliche Partie gemacht, und die Familie seiner Frau, die mächtigen Borgias, verschaffte Sebastian schließlich eine Stelle am Bischofssitz von Toledo.
    Sebastian wurde zum Kaplan eines neuen Hieronymiten-Klosters und zum Gehilfen ihres Priors, Padre Jeronimo Degas, ernannt. Die Abtei zur Himmelfahrt Mariä war ausgesprochen arm. Außer dem winzigen Fleckchen, auf dem die Klostergebäude standen, besaß sie keine eigenen Ländereien, aber sie hatte einen Olivenhain gepachtet, und aus Barmherzigkeit gestattete Juan Antonio den Mönchen, in den Ecken und an den schmalen Rändern seines Landes Wein anzubauen. Auf Geldgeschenke von Juan Antonio oder anderen war dagegen kaum zu hoffen, ebensowenig wie auf wohlhabende Novizen, die in den heiligen Dienst der Kirche treten wollten und dieser ihren Besitz vermachten.
    Dennoch gab sich Sebastian Alvarez, als die Mönche ihn nach Padre Jerónimo Degas' Tod zum Prior erwählten, der Sünde des Stolzes hin; dabei ahnte er, daß die Ehre ihm nur zuteil wurde, weil er Juan Antonios Bruder war.
    Die ersten fünf Jahre der Leitung der Abtei zehrten an ihm und seinen Lebensgeistern. Doch in all der quälenden Erbärmlichkeit seines Lebens wagte der Priester noch zu träumen. So war zum Beispiel der riesige Zisterzienserorden von einer Handvoll eifriger Männer gegründet worden, die noch weniger und ärmer waren als seine eigenen Mönche. Sobald eine Gemeinschaft sechzig Männer in weißen Kutten zählte, wurden zwölf von ihnen ausgeschickt, um ein neues Kloster zu gründen, und so hatten sie sich in Jesu Namen über ganz Europa ausgebreitet. Padre Sebastian sagte sich, daß seine bescheidene Abtei dasselbe erreichen könnte, wenn Gott ihnen nur den Weg wies.
    Im Jahr des Herrn 1488 war es ein Besucher aus Rom, der bei Padre Sebastian für Aufregung und für eine Aufmunterung der gesamten religiösen Gemeinschaft Kastiliens sorgte. Rodrigo Kardinal Lancol hatte spanische Wurzeln, er war als Rodrigo Borgia in der Nähe von Sevilla geboren worden. Als Jüngling war er von seinem Onkel, Papst Calixtus III., unter die Fittiche genommen worden, und er hatte sich zu einem Mann entwickelt, den man fürchten mußte, ein Mann mit enormer kirchlicher Macht.
    Die Alvarez' waren seit langem Freunde und Verbündete der Borgias, und die Heirat von Elienor Borgia mit Juan Antonio hatte die engen Bande zwischen den beiden Familien noch gestärkt. Juan Antonio war wegen dieser Verbindung mit den Borgias bereits zu einer beliebten Figur bei Hofe geworden und galt sogar als Günstling der Königin.
    Elienor war eine Cousine ersten Grades von Kardinal Lancol.
    »Wir brauchen eine Reliquie«, hatte Sebastian zu Elienor gesagt.
    Er haßte es, seine Schwägerin um etwas zu bitten, denn er konnte sie nicht ausstehen wegen ihrer Eitelkeit, ihrer Unaufrichtigkeit und Gehässigkeit, wenn man sie reizte, aber nun tat er es doch. »Die Reliquie eines Märtyrers, oder vielleicht eines unbedeutenden Heiligen. Wenn Seine Eminenz dem Kloster eine solche Reliquie verschaffen könnte, wäre das unser größtes Glück. Ich bin überzeugt, daß er uns beistehen wird, wenn Ihr ihn nur darum bittet.«
    »Ach, das kann ich unmöglich tun.«
    Doch Sebastians Flehen wurde immer unterwürfiger und beharrlicher, je näher der Zeitpunkt von Lancols Besuch rückte, und schließlich ließ Elienor sich erweichen. Um sich den lästigen Bittsteller vom Hals zu schaffen, und nur ihrem Gatten zuliebe, versprach sie schließlich, das menschenmögliche zu tun, um ihm in seinem Anliegen weiterzuhelfen. Es war bekannt, daß der Kardinal in Cuenca, auf dem Gut ihres Onkels Garci Borgia Junez, nächtigen würde.
    »Ich werde mit meinem Onkel reden und ihn bitten, für Euch ein gutes Wort einzulegen«, versprach sie Sebastian.
    Bevor Kardinal Lancol aus Spanien abreiste, hielt er in der Kathedrale von Toledo eine Messe, die von jedem Mönch, Priester und Prälaten der Region besucht wurde. Nach dem Gottesdienst stand Lancol da, umringt von einer jubelnden Menge, die Kardinalsmitra auf dem Kopf, den riesigen bischöflichen Hirtenstab in der Hand und um den Hals das Pallium, das ihm der Papst ver liehen hatte. Sebastian sah ihn von ferne, und ihm war, als erlebte er eine zweite Vision. Den Versuch, sich nach der Messe Lancol zu nähern, wagte er freilich nicht. Elienor hatte berichtet, ihr Onkel habe die Bitte wirklich vorgebracht. Er habe darauf hingewiesen, daß
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