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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa
Autoren: Noah Gordon
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er nach Hause zurückkehrte. Adriana begrüßte ihn mit Tränen und Lachen, als wäre er von den Toten auferstanden.
    Ehrfürchtig betrachtete sie die Silberkelche, die sein Vater angefertigt hatte. Der schwarze Beschlag erwies sich als hartnäckig und tückisch, aber Jona kehrte zusammen, was sich den Winter über auf dem Boden des Hühnerstalls angesammelt hatte, und tauchte jeden Becher in ein Säurebad aus nassem Hühnerkot. Dann rieb und rubbelte er mit dieser schrecklichen Mischung und einem weichen Tuch, und nach kräftigem Bürsten mit Seifenlauge und eifrigem Polieren mit trockenen Tüchern erstrahlten die Gefäße wie Graf Vascas Rüstung. Adriana stellte die Kelche auf ein Tischchen neben dem Kamin, so daß die Flammen sich darin funkelnd spiegelten, und drehte die Kratzer und Dellen der beiden beschädigten Becher zur Wand.
    Im Olivenhain unterhalb der Hügelkuppe waren die Bäume bald schwer von kleinen, harten, grünen Früchten, die Adriana verzückt betrachtete. Sie wollte Öl daraus pressen, sobald sie voll ausgereift wären. In Jonas Abwesenheit hatte sie ein paar Ziegen für eine kleine Herde gekauft. Obwohl der Verkäufer behauptet hatte, alle Weibchen seien gedeckt worden, erwies sich nur ein einziges Tier als trächtig. Aber Adriana ließ sich von so etwas nicht verstimmen, denn in der letzten Sommerwoche wurde klar, daß sie selbst schwanger war. Jona freute sich sehr, und Adriana erstrahlte in stiller Verzückung.
    Dieses Kind, das erst noch geboren werden mußte, gab den Ausschlag.
    Im Frühherbst kamen Reyna und Álvaro zu Besuch, und während die Frauen beieinandersaßen und ein Glas Wein tranken, gingen die beiden Männer zur Hügelkuppe und schritten die Abmessungen der neuen Scheune ab.
    Álvaro kratzte sich am Kopf, als er sah, was Jona wollte. »Brauchst du wirklich eine so große Scheune, Ramón?«
    Doch Jona nickte nur und lächelte. »Wenn wir schon bauen, dann laß uns richtig bauen.«
    Álvaro hatte schon mehrere Häuser errichtet, und Jona gab ihm den Auftrag, die Außenmauern hochzuziehen und mit einem Ziegeldach zu decken, das zum Dach der hacienda paßte. Den ganzen Herbst und Winter über sammelten Álvaro und Lope, der junge Mann, der sein Gehilfe war, Steine und schafften sie mit einem Ochsenkarren auf die Hügelkuppe.
    Im März entband Adriana. Nachdem sie eine stürmische Nacht lang in den Wehen gelegen hatte, brachte sie im kalten Licht des Morgens ihr Kind zur Welt. Jona empfing den Knaben mit beiden Händen, und als der Kleine den Mund öffnete und schrie, küßte er die weichen, geröteten Wangen und spürte nun endlich das Eis der Einsamkeit in sich schmelzen.
    »Das ist Helkias Callicó«, sagte Adriana, und als er ihr den gewickelten Knaben in die Arme legte, sprach sie Worte, die nie geäußert wurden, nicht einmal in Augenblicken größter Vertrautheit. »Sohn von Jona Toledano«, flüsterte sie.
    Im folgenden Frühling gruben Álvaro und Lope gemäß Jonas Anweisungen einen flachen Graben und legten das Fundament. Während die Mauern unter ihren Händen wuchsen, beteiligte auch Jona sich an der Arbeit, sooft seine Patienten ihm Zeit dazu ließen. Er lernte, Steine sorgfältig auszuwählen, so daß sie zueinander paßten, und sie so aufeinanderzuschichten, daß aus ihrem Verbund die Stärke der Mauer wurde. Er bestand sogar darauf zu lernen, wie man Mörtel mischte, wie aus zermahlenem Schieferton, Lehm, Sand, Kalkstein und Wasser ein grobes Bindemittel wurde. Álvaro wunderte sich über seine Fragen und seine Tatkraft. »Vielleicht möchtest du ja aufhören, ein Medicus zu sein, und in meinem Gewerbe arbeiten«, sagte er, doch beide genossen die gemeinsame Tätigkeit.
    In der ersten Juniwoche wurde die Scheune fertig. Nachdem Álvaro und Lope bezahlt worden waren und sich verabschiedet hatten, fing Jona an, in den kühleren Stunden des Tages allein zu arbeiten und am frühen Morgen und vor Sonnenuntergang zusätzliches Baumaterial zu sammeln. Während des ganzen Sommers und bis in den Herbst wuchtete er auf seinem eigenen Land Felsbrocken und Steine in seinen Karren und lud sie in der Scheune ab.
    Es war November, als er die Steine endlich verwenden konnte. Im hinteren Teil der Scheune zog er eine Linie, die einen kleinen Raum vom Rest abtrennte, und errichtete entlang dieser Linie und parallel zur Rückwand eine Innenwand.
    Im dunkelsten Winkel der Scheune baute er einen niedrigen, engen Durchgang in diese Wand, und vor diesem Durchgang errichtete er einen
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