Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
Mensch und als Priester. Ich bin mir sicher, ich kann ihn überreden, daß er diese Kostbarkeiten nach Rom sendet mit der Erklärung, sie seien vom Offizium für Glaubensangelegenheiten des Toledaner Bistums wiederaufgefunden worden, in der Burg von Tembleque nach dem Tod des Grafen Fernán Vasca, der als Reliquienhändler bekannt war. Die uralte Basilika des Konstantin in Rom wurde niedergerissen, und über dem Grab des heiligen Petrus soll eine prächtige Kirche errichtet werden. Bischof Sagasta sehnt sich nach einer Versetzung nach Rom, und ich sehne mich danach, ihn begleiten zu dürfen.«
    Er lächelte. »Es dürfte dem Ruf des Bischofs als Kirchenhistoriker nicht schaden, wenn man ihn als den Wiederbeschaffer der Reliquie der Santa Ana und eines solchen Reliquiars betrachtet.«
    Die beiden Männer standen vor dem Bischofspalast auf der Straße und sahen einander an.
    »Wißt Ihr, wer ich bin?«
    Padre Sebastian legte Jona eine schwielige Hand auf den Mund. »Ich will keinen Namen hören.«
    Aber er sah Jona tief in die Augen. »Mir ist aufgefallen, daß Eure Züge dem gütigen Gesicht eines Mannes ähneln, den ich früher kannte, eines guten Mannes voller Kunstfertigkeit und meisterhaftem Geschick.«
    Jona lächelte. »Lebt wohl, Padre.«
    Sie umarmten sich.
    »Geht mit Gott, mein Sohn.«
    Dann stand Jona da und sah Sebastian Alvarez nach, der mit wehenden weißen Haaren, den langen Stab des Bettelmönchs schwenkend, auf der bevölkerten Straße davonging.
    Er ritt an den Stadtrand von Toledo, zu der Wiese, die früher der jüdische Friedhof gewesen war. Schon eine ganze Weile hatten hier keine Schafe oder Ziegen mehr geweidet, das Gras sproß üppig über all den jüdischen Knochen, und er ließ sein Pferd fressen, während er das Kaddisch betete für seine Mutter und Meir und alle, die hier lagen. Dann stieg er wieder in den Sattel und ritt langsam zurück in die Stadt, durch Straßen, auf denen er die glücklichsten und unbeschwertesten Tage seines Lebens verbracht hatte, und hinauf zu dem Weg am Hochufer über dem Fluß.
    Die Synagoge war, zumindest für den Augenblick, von Holzhackern übernommen worden. Auf der Eingangstreppe und an der Vorderseite des Gebäudes stapelte sich Feuerholz.
    Er hielt sein Pferd an, als er das ehemalige Anwesen der Familie Toledano erreichte.
    Noch immer Jude, Abba, rief er stumm.
    Der Baum auf dem Grab seines Vaters war mächtig gewachsen, seine belaubten Äste hingen über das niedrige Dach des Hauses, spendeten Schatten und schwankten leicht im Wind.
    Stark spürte er die Anwesenheit seines Vaters.
    Und ob nun eingebildet oder nicht, er labte sich an ihr. Ohne Worte berichtete er seinem Vater, was sich alles ereignet hatte. Die Toten waren nicht zurückzuholen, was verloren war, blieb verloren, und doch war es ihm, als wäre die Angelegenheit mit dem Reliquiar zu einem Abschluß gekommen und erledigt.
    Er tätschelte Hermana, während er das Haus betrachtete, in dem seine Mutter gestorben war.
    Sebastian Alvarez hatte gesagt, er sehe aus wie sein Vater. Ähnelte Eleasar auch ihrem Vater? Wenn Jona Eleasar Toledano nun auf der Straße, in einer Menschenmenge begegnete, würde er ihn als seinen Bruder erkennen?
    Wohin er den Blick auch wandte, überall sah er einen schmächtigen Jungen mit einem großen Kopf.
    Jona, gehen wir zum Fluß?
    Jona, kann ich nicht mit dir kommen?
    Gestank, der ihm unvermittelt in die Nase stieg, brachte ihn in die Gegenwart zurück; der Buchbinder betrieb also noch immer seine Gerberei.
    Ich liebe dich, Abba.
    Als er am angrenzenden Grundstück des Nachbarn Marcelo Troca vorbeiritt, sah er, daß er alte Mann noch lebte, er stand auf seiner Weide und legte eben einem burro einen Halfter um.
    »Hola!« rief Jona.
    »Einen guten Tag, Señor Troca!« fügte er hinzu und drückte seinem Pferd dann die Hacken in die Flanken.
    Marcelo Troca stand da, die Hand auf dem Hals des Esels, und schaute verwirrt dem schwarzen Pferd nach, bis der Reiter nicht mehr zu sehen war.

6. Die Scheune
    D er Ort und er paßten gut zusammen. Das rechteckige Stück Land, eigentlich nur ein langer, flacher Hügel mit einem schmalen Bächlein mittendurch, war kein Garten Eden, und die hacienda war nicht mit einer Burg zu vergleichen, aber das Land und das Haus waren genau das, was Jona sich immer gewünscht hatte.
    In diesem Jahr kam der Frühling zeitig nach Saragossa. Die Obst- und Olivenbäume, die er mit Adriana gestutzt und gedüngt hatte, trieben bereits üppig aus, als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher