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Der Mann zweier Welten

Der Mann zweier Welten

Titel: Der Mann zweier Welten
Autoren: Raymond F. Jones
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schwächer. Was – du trägst deinen Umhang auch in der Nacht?« Der alte Mann kicherte. »Was soll das, Ketan? Gerade du predigst doch immer, daß wir ohne Umhang gehen sollen, wie es unsere Väter taten.«
    Ketan warf das schwere Ding aus Bleigeflecht auf die Seite. »Sie haben mich rufen lassen.«
    »Ja.« Lehrer Daran deutete neben sich. »Mach es dir bequem.«
    Der alte Mann hatte immer noch einen sehr beweglichen Körper. »Das Haus der Weisheit hat beschlossen, dich zu meinem Nachfolger zu ernennen.«
    Ketan sah einen Augenblick in die Augen des Mannes. Er dachte an die unbekannten Faktoren, die ihm die Alte in der Matrix gezeigt hatte.
    »Dann wäre ich ein richtiger Sucher?«
    Lehrer Daran lächelte und nickte. »Und du könntest Elta sofort zur Gefährtin nehmen. Du weißt nicht, welches Glück du hast. Wenn ich früher eine solche Gefährtin gefunden hätte …«
    »Dürfte ich dann selbst auswählen, über welche Gebiete ich forschen möchte?«
    Der Lehrer nickte. »Natürlich muß der Rat um Erlaubnis gefragt werden.«
    »Ich finde, dazu hat er kein Recht. Weshalb darf man mir verbieten, die Geheimnisse von Feuerland, vom Großen Rand oder von Nachtland zu erforschen?«
    »Dann stimmen also die Gerüchte, die über dich im Umlauf sind?«
    »Ich kenne sie nicht.«
    »Im Haus der Weisheit hört man über eine Organisation, die sich die Nichtregistrierten nennt. Ihre Mitglieder wollen die Geheimnisse erforschen, die nicht registriert sind. Im Rat gibt es Leute, die behaupten, daß du zu der Gruppe gehörst. Man sprach oft davon, eine Klage bei der Ersten Gruppe vorzubringen. Aber da deine Arbeit im Karildex so ausgezeichnet ist, konnte ich die Männer und Frauen bisher davon abhalten.
    Ich warne dich ernsthaft, Ketan – als Lehrer und Freund. Du kennst das Gesetz, denn du selbst bist für das Karildex verantwortlich. Du weißt, daß das Verbot des Rates auf einer Entscheidung beruht, die die Maschine vor mehr als hundert Tara herausgab.«
    »Und genau aus diesem Grunde zweifle ich das Gesetz an. Die Faktoren der Maschine waren falsch.«
    »Welche Faktoren?« fragte Daran ruhig.
    »Sie kennen sie.« Ketan preßte die Lippen zusammen. »Ich habe nie ein Geheimnis aus meinen Ansichten gemacht.«
    »Dann sind die Gerüchte wirklich wahr. Ich war ein Narr, daß ich dich vor dem Rat verteidigt habe. Es ist wahr, daß du die Heiligkeit des Tempels leugnest und ihn dem profanen Studium der Sucher freigeben willst.«
    »Es ist wahr.«
    »Ich werde noch heute eine Klage gegen dich vorbringen. Morgen bist du degradiert.«
     
    *
     
    Elta wartete am Anfang des Weges. Sie streckte die Hand aus, als er näherkam.
    »Was hast du ihm gesagt?« fragte sie ängstlich.
    Ketan erzählte ihr kurz von der Unterredung. »Ich muß nach Hause eilen und mein Material vorbereiten. Ich werde um ein öffentliches Verhör bitten.«
    »Ketan – nein! Bitte nicht. Geh zurück und bitte Lehrer Daran, die Klage zurückzuziehen. Ich weiß, daß er deine Entschuldigung annehmen wird.«
    »Kronweld muß die Wahrheit über die Entstehung des Lebens erfahren.«
    »Du zerstörst alles in deiner Dummheit!« fuhr sie ihn an.
    Aber Ketan hatte sich schon der Straße zugewandt, »kh muß mich beeilen. Kommst du mit?«
    Sie traten auf die große Straße hinaus, deren glatte, grünlich schimmernde Fläche in einem Bogen um den Geburtstempel herumführte. Sie sprachen nicht. Sie ließen die pompösen Stadtviertel hinter sich, in denen die zugelassenen Sucher, die Mitglieder der Ersten Gruppe, wohnten. Elta lebte in der Nähe des Zentrums in einem Gruppenhaus für Sucher. Ketan hatte seine Wohnung weiter am Stadtrand, wo die Mehrzahl der Studierenden lebte. Es gab nur wenige zugelassene Sucher, denn fast alle Geheimnisse waren gelöst. Der Mensch hatte fast den Gipfel seines Wissens erreicht. Und doch gab es eine Menge Geheimnisse, die man nicht erforschen durfte.
    Die Stadt war an einer Seite von dem radioaktiven, vulkanischen Feuerland begrenzt, das den Himmel violett und rot erscheinen ließ. Dahinter erstreckte sich Nachtland mit seinen Wolken und Rauchschleiern, die von Feuerland hinüberwehten.
    Ketan und Elta hatten die Gärten zu beiden Seiten der Straße hinter sich gelassen. Vor ihnen lag die andere Grenze Kronwelds – der Rand.
    Es war schwer, ihn zu beschreiben. Er war einfach ein Nichts. Ein großer Vorhang des Nichts, eine schreckliche Dunkelheit, die sich zwischen den beiden Seiten von Feuerland erstreckte.
    »Spürst du es nicht?«
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