Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
Weg hatte von ihr verlangt, den Mutterkuchen zu behalten und Alvin aus der Ferne zu beobachten, um jedesmal, wenn sie sah, daß der Tod nach ihm griff, diesen Mutterkuchen zu benutzen. Dazu mußte sie nur ein winziges Fetzchen davon nehmen und es zwischen den Fingern zerreiben, während sie flüsterte, was geschehen sollte, während sie es vor dem geistigen Auge schaute. Und dann geschah alles genau so, wie sie es gewünscht hatte. Hatte sie ihn nicht vor dem Ertrinken gerettet? Vor einem suhlenden Büffel? Hatte sie ihn nicht aufgefangen, als er von einem Dach herunterglitt? Einmal hatte sie sogar einen Dachbalken gespalten, als der aus fünfzig Fuß Höhe herabstürzte und Alvin auf dem Boden einer erst halb fertiggestellten Kirche zu zermalmen drohte; sie hatte diesen Balken säuberlich in zwei Stücke zerteilt, so daß er zu beiden Seiten des Jungen heruntergestürzt war – die beiden Teile gerade weit genug auseinander, um Platz für ihn zu lassen. Ach, da waren noch hundert andere Gelegenheiten gewesen, und immer hatte sie so frühzeitig gehandelt, daß niemand jemals merkte, daß sie Alvins Leben gerettet hatte.
    Und bei all diesen Gelegenheiten hatte sie den Mutterkuchen benutzt.
    Wie funktionierte das? Sie wußte es kaum. Sie wußte nur, daß es Alvins eigene Kraft war, die sie benutzte, das Talent, das ihm angeboren war. Im Laufe der Jahre hatte er einiges über seine Fähigkeit gelernt, Dinge zu machen und zu formen, sie zusammenzuhalten und voneinander zu trennen. Schließlich aber, im letzten Jahr, als er in die Kriege zwischen Roten und Weißen geraten war, hatte Alvin öfter und öfter sein Leben selbst gerettet, ohne ihre Hilfe, so daß sie kaum noch etwas für ihn tun mußte. Das war auch gut so, denn viel war von dem Mutterkuchen nicht mehr übrig.
    Sie schloß den Deckel des Kastens. Ich will ihn nicht sehen, dachte Peggy. Ich will nichts mehr von ihm wissen.
    Doch ihre Finger öffneten wie von selbst den Deckel aufs neue, weil sie es natürlich doch wissen mußte. Es schien ihr, als habe sie ihr halbes Leben damit verbracht, diesen Mutterkuchen zu berühren und Alvins Herzensfeuer fernab im nordwestlichen Wobbish-Land zu erspüren, in der Stadt Vigor Church, um nachzuschauen, wie es ihm erging, um seine zukünftigen Wege auf Gefahren zu überprüfen, die ihm auflauerten. Und als sie sich überzeugt hatte, daß er in Sicherheit war, hatte sie noch weiter in die Zukunft geschaut und ihn gesehen, wie er eines Tages nach Hatrack River zurückkehren würde, an den Ort seiner Geburt, und wie er ihr ins Gesicht blickte und sagte: »Du warst es, die mich immer wieder gerettet hat, du, die gesehen hat, daß ich ein Macher bin, lange bevor irgendeine Menschenseele so etwas auch nur für möglich gehalten hätte.« Und dann hatte sie geschaut, wie er die großen Tiefen seiner Macht erfuhr, hatte die Arbeit geschaut, die er zu leisten hatte, die Kristallstadt, die er bauen mußte; sie sah ihn, wie er sie befruchtete, wie er die Säuglinge berührte, die sie in den Armen hielt; sie sah die Kinder, die sie beerdigten, und die anderen, die überlebten; und ganz zuletzt sah sie auch ihn …
    Tränen strömten ihr übers Gesicht. Ich will es nicht wissen, sagte sie. Ich will nicht alle Wege der Zukunft wissen. Andere Mädchen können von Liebe träumen, von den Freuden der Ehe, davon, wie sie Mütter kräftiger, gesunder Kinder werden; aber in allen meinen Träumen wird auch gestorben, gibt es auch Schmerz und Furcht, weil meine Träume Wahrträume sind; ich weiß mehr, als irgendein Mensch wissen kann, mehr, als daß die Hoffnung noch überleben könnte.
    Und doch hoffte Peggy sehr wohl. O ja, ganz gewiß – sie klammerte sich noch immer an die verzweifelte Form der Hoffnung. Denn wenn sie auch wußte, was auf dem Weg eines Menschen liegen mochte, erspähte sie doch gelegentlich auch kurze Einblicke, einige klare, schlichte Gesichte von bestimmten Tagen, bestimmten Stunden, bestimmten flüchtigen Augenblicken einer Freude, die so groß war, daß es all das Leid wert zu sein schien, nur um dorthin zu gelangen.
    Das Problem war, daß diese Einblicke so selten und so klein waren im riesigen Gewebe von Alvins zukünftigem Leben – und daß sie keinen Weg fand, der dorthin führte. Alle Wege, die sie mühelos aufspüren konnte – die einfachen, jene, die am wahrscheinlichsten Wirklichkeit werden würden –, alle führten sie zu der Erkenntnis, daß Alvin sie ohne Liebe heiratete, aus Dankbarkeit und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher