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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug
Autoren: Orson Scott Card
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Aufseher?«
    Das Gesicht des Aufsehers wurde finster und schrecklich, und er öffnete den Mund, als wollte er heulen. »Nur eine einzige lebende Seele auf dieser Welt hat jemals meine wahre Gestalt geschaut, und die wird mit Sicherheit den Tod finden!«
    Die mächtigen Worte erschollen wie trockener Donner und erschütterten Cavil Planter bis ins Mark, so daß er das Erdreich des Schuppenbodens packte, um nicht wie Staub im Wind von nahenden Sturm in die Luft gerissen zu werden. »Erschlage mich nicht ob meiner Unbotmäßigkeit!« rief Cavil.
    Die Antwort des Aufsehers kam so sanft wie das Morgenlicht der Sonne. »Dich erschlagen? Wie könnte ich, da du doch ein Mann bist, den ich auserwählt habe, um meine geheimsten Lehren zu empfangen, ein Evangelium, wie es dem Priester oder dem Prediger unbekannt ist.«
    »Mich?«
    »Ich habe dich bereits belehrt, und du hast verstanden. Ich weiß, daß du zu tun begehrst, wie ich befehle. Doch dir fehlt es an Glauben. Du bist noch nicht völlig mein.«
    Cavils Herz machte einen Satz. Ob der Aufseher ihm geben wollte, was man einst Abraham gegeben hatte? »Aufseher, ich bin unwürdig.«
    »Natürlich bist du unwürdig. Niemand ist meiner würdig, nicht eine Seele auf Erden. Und dennoch – wenn du gehorchst, kannst du vor meinen Augen Gefallen finden.«
    Oh, er will es tun! frohlockte Cavil in seinem Herzen. Ja, er will mir die Frau geben! »Was immer Ihr befehlt, Aufseher.«
    »Glaubst du etwa, ich würde dir Hagar wegen deiner törichten Lust und deiner Gier nach einem Kind geben? Es gibt einen höheren Sinn darin. Diese schwarzen Menschen sind gewiß Söhne und Töchter Gottes, doch in Afrika lebten sie in der Gewalt des Teufels. Dieser schreckliche Vernichter hat ihr Blut verunreinigt. Weshalb, glaubst du, wären sie sonst Schwarz? Ich kann sie niemals erretten, nicht, solange jede Generation rein Schwarz geboren wird, denn so lange sind sie auch im Besitz des Teufels. Wie kann ich sie als mein eigenes Volk zurückfordern, wenn du mir nicht hilfst?«
    »Wird mein Kind dann als Weißer geboren, wenn ich das Mädchen nehme?«
    »Für mich ist von Bedeutung, daß es nicht rein Schwarz sein wird. Verstehst du, was ich von dir verlange? Nicht nur einen Ismael, sondern viele Kinder; nicht nur eine Hagar, sondern viele Frauen.«
    Cavil wagte kaum, sein geheimstes Herzensverlangen auszusprechen. »Alle?«
    »Ich gebe sie dir, Cavil Planter. Diese böse Generation ist dein Eigentum. Wenn du fleißig bist, kannst du die Erschaffung einer anderen Generation vorbereiten, die dann mir gehören wird.«
    »Das werde ich, Aufseher!«
    »Du darfst niemandem davon erzählen, daß du mich gesehen hast. Ich spreche nur zu jenen, deren Verlangen sich bereits mir und meinem Werk zuwendet, zu jenen, die schon nach dem Wasser dürsten, das ich spende.«
    »Ich werde mit keinem anderen Menschen ein Wort darüber wechseln, Aufseher!«
    »Gehorche mir, Cavil Planter, dann verspreche ich dir, daß du mich am Ende deines Lebens wiedersehen und als das erkennen wirst, was ich wirklich bin. Und in diesem Augenblick werde ich dann zu dir sprechen: Du gehörst mir, Cavil Planter, komm und sei auf alle Ewigkeit mein wahrer Sklave.«
    »Nur zu gern!« rief Cavil. »Nur zu gern! Nur zu gern!«
    Er breitete die Arme aus und wollte die Beine des Aufsehers umklammern. Doch er griff ins Nichts – der Mann war verschwunden.
    Von diesem Tagh an fanden Cavil Planters Sklavinnen keinen Frieden mehr. Er ließ sie sich bei Nacht bringen und versuchte, sie mit jener Kraft und Herrschaft zu behandeln, die er im Antlitz des furchterregenden Aufsehers geschaut hatte. Sie müssen mich ansehen und Sein Gesicht in mir erkennen, dachte Cavil, und gewiß tun sie es auch.
    Die erste, die er zu sich holte, war ein neugekauftes Sklavenmädchen, das kaum ein Wort Englisch sprach. Sie schrie vor Entsetzen, als er auf ihrem Leib die Schwielen und Striemen erzeugte, die er in seinen Träumen geschaut hatte. Da gestattete sie ihm wimmernd, zu tun, was der Aufseher befohlen hatte. Einen Augenblick lang, nur dieses erste Mal, glaubte er, in ihrem Wimmern Dolores' Stimme zu vernehmen, wie diese leise im Bett weinte, und er empfand dasselbe tiefe Mitleid, wie er es für seine geliebte Frau empfunden hatte. Fast hätte er sanft nach dem Mädchen gegriffen, so wie er einst versucht hatte, Dolores zu trösten. Doch da erinnerte er sich an das Gesicht des Aufsehers und dachte: Dieses schwarze Mädchen ist Sein Feind; sie ist mein Besitz. So
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