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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler
Autoren: Monika Feth
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Autobahn.
    Die Ausfallstraߟen waren verstopft. Wie Nebel lagen die Abgase über dem Boden. Ruben machte das Radio an. Er hörte in ein paar Sendungen hinein und schaltete wieder aus. Es gab Tage, da liebte er es, mit Musik zu fahren, da ertrug er es locker, an jeder Ampel halten zu müssen und nur schleppend voranzukommen. Es gab aber auch Tage, da war Autofahren und alles, was damit zusammenhing, die Hölle.
    Heute war so ein Tag. Der Stau zerrte an Rubens Nerven. Seine Handflächen fingen an zu schwitzen. Bei der erstbesten Gelegenheit bog er ab und wich auf Nebenstraߟen aus. Nach einigen Kilometern fühlte er sich wie von einer Last befreit.
    Ruben dachte beim Autofahren gern nach. Es war eine angenehme Art des Denkens, leicht und spielerisch und ohne Konsequenzen. Man musste keinen Einfall zensieren, keine Scham empfinden und keine Skrupel. Gedanken waren frei.
    Auf den Weg brauchte er kaum zu achten. Sein Wagen war mit einem Navigationssystem ausgerüstet. Die Strecke wurde ihm optisch über ein Display angezeigt und akustisch von einer angenehm modulierten Frauenstimme angesagt. Die Stimme war ein wenig unterkühlt für seinen Geschmack, aber sie sollte ja auch nicht seine Gefühle berühren, sondern ihn nur sicher und bequem ans Ziel bringen.
    An einem Feldweg hielt Ruben an. Er stieg aus und bewegte sich ein bisschen. Schaute sich in der Einsamkeit um. Schneegeruch lag in der Luft. Für einen Augenblick schien es, als wollte die Sonne durchkommen, doch dann wurden die Wolken noch eine Spur dunkler.
    Es war eine Landschaft nach Rubens Geschmack, hügelig und dennoch weit. Nicht diese engen, beklemmenden Täler, in denen man nicht atmen konnte und in denen er immer an 
Via Mala
 denken musste. Er hatte das Buch als Junge im Bücherschrank seiner Eltern gefunden und es heimlich gelesen.
    Sämtliche Bücher der Eltern waren für die Kinder tabu gewesen, doch Ruben hatte sie alle verschlungen, ohne Ausnahme. Bei diesem hatte er den Eindruck gehabt, etwas ganz Unerhörtes zu lesen. Er war in einen Strudel widerstreitender Gefühle geraten, die er nicht kontrollieren konnte, die ihm fremd waren, ihm Angst machten und ihn gleichzeitig erregten.
    Heute noch konnte er sich daran erinnern, dass er das Buch im Winter gelesen hatte. Die Tage waren lang und düster gewesen. Es hatte von morgens bis abends genieselt und der harte Schnee war auf den Wegen geschmolzen. Jener Winter war vollständig in das Buch eingegangen.
    Es war nur eines von vielen verbotenen Büchern gewesen, aber es hatte Ruben als Einziges nachhaltig geprägt. Er hatte angefangen, sich mit verbotenen Gefühlen auseinander zu setzen. In sich hineinzuhorchen. Sich Fragen zu stellen. Irgendwann war 
Via Mala
 für ihn zu einem Bild seines eigenen Lebens geworden. Eng. Finster. Kalt.
    Wahrscheinlich konnte er deshalb heute nur noch Landschaften ertragen, die weit waren und frei. So wie diese. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Er hatte allen Grund, nach vorn zu sehen. Und sich zu freuen. Endlich erblickte er Licht am Horizont.
     
    Nach dem Gespräch mit meiner Mutter war ich sofort wieder eingeschlafen. Manchmal staunte ich darüber, wie viel Schlaf ich brauchte. Allerdings wusste ich auch, dass mein Bett ein Zufluchtsort für mich geworden war. Nur hier fühlte ich mich geschützt. Nur in meinem Bett war es mir möglich, für Stunden zu vergessen.
    Es sei denn, die Albträume holten mich ein. Dann wachte ich schweiߟgebadet auf, mit hämmerndem Herzen, meinen eigenen Schrei noch im Ohr. Ich fürchtete mich vor diesen Träumen, die ich nicht loswurde, die mich seit damals verfolgten, nicht bloߟ in der Nacht.
    Sie lauerten überall und überfielen mich, wenn ich nicht darauf gefasst war. Es konnte sein, dass sie in den Schatten eines Zimmers verborgen waren, hinter einer Häuserecke oder am Ende einer Gasse. Sie versteckten sich in einem Buch, einem Lachen oder einem Wort. Für Sekunden nahm ich die Wirklichkeit nicht mehr wahr. Bis ein Geräusch oder eine Berührung mich zusammenfahren lieߟ.
    Am schlimmsten jedoch war die Leere, die ich in mir spürte. Ich bemühte mich wirklich, mich nicht hängen zu lassen. Ich gab Merle nach, die immerzu versuchte, mich abzulenken, ging mit ihr zu den Versammlungen der Tierschützer, begleitete sie ins Kino, lief sogar ab und zu mit ihr über die Felder. Doch dadurch fühlte ich mich nicht weniger leer. Wo Liebe gewesen war, Zärtlichkeit und Verlangen, konnte ich jetzt gar nichts mehr
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