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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler
Autoren: Monika Feth
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Mensch weit und breit.
    Sie zählte die Slips ab, die Strümpfe, nahm ein paar Wollschals aus dem Schrank. Es war sehr kalt geworden. Sie würde hauptsächlich warme Sachen einpacken.
    Edgar und Molly hatten sich verkrochen. Sie verbanden Kofferpacken mit Autofahren und Autofahren mit Tierarzt oder anderen Orten, die sie nicht mochten. Dabei hatte Imke sie schon lange nicht mehr in einer Katzenpension untergebracht. Genau genommen seit dem Tag, an dem sich herausgestellt hatte, dass Frau Bergerhausen nicht nur eine begnadete Putzhilfe, sondern auch eine leidenschaftliche Tierfreundin war.
    Imke war mehr als dankbar dafür, dass eine glückliche Fügung ihr vor ein paar Jahren diese Frau über den Weg geschickt hatte. Die alte Mühle, umgebaut zu einem kleinen Paradies, lag zu einsam, um für längere Zeit unbewohnt zu bleiben. Wenn Imke unterwegs war, kam Frau Bergerhausen zweimal täglich ins Haus, lieߟ die Rollläden rauf und runter, fütterte die Katzen und gab den Pflanzen Wasser. Sie sortierte die Post und nahm auch das eine oder andere Telefongespräch an. Frau Bergerhausen war das, was Imkes Mutter eine 
Perle
 nannte.
    Auch Jette und Tilo, die beide einen Schlüssel für die Mühle besaߟen, hatten versprochen, hin und wieder vorbeizuschauen. Es gab wirklich keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Höchstens um den neuen Roman, mit dem Imke vor ein paar Tagen begonnen hatte und den sie nur ungern unterbrach. Warum also fühlte sie dieses starke, quälende Unbehagen?
    Sie hatte längst akzeptiert, dass sie die Signale ihres Körpers nicht unbeachtet lassen durfte. Seit vielen Jahren lebte sie mit den Stimmen, die sie vor Katastrophen warnten. Es waren natürlich keine richtigen Stimmen, auch keine Stimmen, die sie in ihrem Kopf hörte. Es waren Zeichen wie Angstgefühle, Kopfschmerzen, eine dumpfe Unruhe. Oft konnte sie die Zeichen nicht deuten und erkannte sie erst im Nachhinein. Aber wenn es um Jette ging, irrte sie sich selten.
    Ihr Kind war unglücklich. Zogen unglückliche Menschen das Unheil nicht magisch an? Wie konnte sie Jette in ihrer schlechten seelischen Verfassung nur allein lassen?
    Sie faltete eine Jeans zusammen, unterbrach dann das Packen und griff nach dem Telefon. Insgeheim betete sie, dass sich niemand melden würde. Dann wäre alles in Ordnung. Um diese Zeit sollten die Mädchen nämlich in der Schule sein. Sie steckten mitten in den Vorbereitungen fürs Abitur.
    »Jette Weingärtner.«
    Imke hatte ihre Bücher von Anfang an unter ihrem Mädchennamen veröffentlicht, den sie nach der Scheidung von ihrem Mann auch offiziell wieder angenommen hatte. Dass Jette weiterhin den Namen ihres Vaters trug, störte sie nicht. Nur manchmal empfand sie eine gewisse Fremdheit, wenn sie ihn hörte.
    »Du bist zu Hause?«
    Das hatte sie eigentlich nicht sagen wollen. Es klang wie ein Vorwurf.
    »Mir war nicht gut.«
    Jette war nicht der Typ, der schnell jammert. Sie hielt eine ganze Menge aus. Wenn sie nicht in die Schule ging, dann hatte sie dafür ihre Gründe.
    »Und jetzt? Geht es dir wieder besser?«
    »Ich hab mich in meinem Bett zusammengerollt und ein bisschen geschlafen.«
    »Das tut mir Leid. Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Hast du nicht. Ich bin gerade wach geworden. Auߟerdem will ich ja auch nicht den ganzen Tag im Bett verbringen.« Sie machte eine kurze Pause. »Warum rufst du an? Wolltest du nicht heute losfahren?«
    »Eigentlich schon, aber ich überlege, ob ich nicht lieber zu Hause bleiben soll. Für alle Fälle.«
    »Mit anderen Worten - meinetwegen?«
    »Jette, du bist noch nicht stabil genug. Du brauchst...«
    »Mama! Hör auf, mich in Watte zu packen!«
    »Aber Kind! Ich pack dich doch nicht in...«
    »Ich komme klar, Mama. Ich hab nur manchmal zwischendurch einen kleinen Absturz. Nicht der Rede wert. Ich möchte nicht, dass du ständig Rücksicht auf mich nimmst.«
    »Rücksicht? Ich nehme keine...«
    »Doch, Mama! Und ich finde das auch ganz lieb von dir. Aber du hast getan, was du konntest. Jetzt muss ich allein weitergehen.«
    Weitergehen? Wohin? Imke schluckte.
    »Hast du dir das gut überlegt, Jette?«
    »Ich habe deine Handynummer, eine ellenlange Liste mit den Anschriften und Telefonnummern der Hotels und sämtlicher Veranstalter in zeitlicher Reihenfolge, was soll mir denn da passieren?«
    »Und du rufst wirklich an, wenn du mich brauchst?«
    »Jaaaaa, Mama. Versprochen. Hochheiliges Ehrenwort und dreimal draufgespuckt.«
    Jettes Kinderschwur. Imke musste
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